Viele Muslime haben das Gefühl, dass sie bei der Flüchtlingsdebatte in einen Topf mit Radikalen geworfen werden. Doch auch viele Muslime haben Angst vor Flüchtlingen, sagt der Islamberater Hussein Hamdan, der bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart beschäftigt ist.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Der Islam und die hier lebenden Muslime stehen im Fokus einer kritischen Debatte. Der Islamberater Hussein Hamdan plädiert dafür, dabei auch die guten Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht zu vergessen. An die Muslime appelliert er, ihre Strukturen in den Kommunen zu professionalisieren.

 
Herr Hamdan, was tut ein Islamberater?
Wenn eine Kommune drei Moscheevereine hat, werde ich gefragt, wie man diese einschätzt und wie eine Zusammenarbeit gelingen kann. Wenn eine Stadt ein muslimisches Gräberfeld bauen will, werde ich gefragt, was man braucht. Oder wenn Stadtjugendringe Anfragen bekommen von Jugendgruppen, wollen sie wissen, was von diesen zu halten ist. Das Thema Gräberfeld ist durch die syrischen Flüchtlinge wichtiger geworden, weil die nach dem Tod nicht überführt werden können.
Sind die Kommunen unsicher im Umgang mit muslimischen Gruppen und Verbänden?
Es gibt viele Fragen, Unsicherheiten, Klärungsbedarf. Es gibt viel Misstrauen, aber auch viel Goodwill, dass man sagt: Wir wollen unsere Verbände besser in die kommunale Arbeit einbinden.
Ist auf muslimischer Seite die Bereitschaft da, sich stärker einzubringen?
Das hängt häufig von Personen ab, aber auch von den Ressourcen, die es bei Muslimen vor Ort gibt. In manchen muslimischen Gemeinden ist es schwierig, wenn sie noch vom Gastarbeitermilieu geprägt sind, die Leute nie richtig Deutsch gelernt haben, den Austausch also nicht so führen können. Aber es gibt heute in vielen Kommunen Dialogprozesse.
Wie wirken sich die jüngeren Ereignisse auf Ihre Arbeit aus: der Flüchtlingszustrom, die Anschläge in Würzburg und Ansbach, die Vorgänge in Chemnitz?
Man spürt, dass es große Ängste gibt, auch vor Anschlägen, viele können die Flüchtlinge nicht einordnen. Bei vielen Kommunen habe ich aber den Eindruck, dass sie das Verhältnis zu den Muslimen intensivieren wollen. Gerade weil man die muslimischen Verbände in der Flüchtlingsarbeit mitnehmen möchte.
Funktioniert das?
Es fehlt oft an Informationen. Zum Beispiel was die ehrenamtlichen Strukturen der Muslime angeht. Man beklagt, dass die Muslime nicht so intensiv daran arbeiten, den Flüchtlingen zu helfen, wie dies die christlichen Kirchen tun. Man vergisst dabei, dass eine muslimische Gemeinde mit einer Kirchengemeinde gar nicht zu vergleichen ist was Personal, Qualifikation und Ressourcen angeht.
Wie reagieren die Muslime auf die aktuelle Lage und auf das wachsende Misstrauen?
Für die Muslime ist das alles sehr niederschmetternd. Sie haben das Gefühl, dass sie sich rechtfertigen müssen und fühlen sich unter Druck gesetzt. Sie sagen: Alles schaut auf uns, wir werden in einen Topf mit Radikalen, mit Islamisten geworfen. Das ist für Muslime, die in der dritten oder vierten Generation hier leben, wie ein Schlag ins Gesicht. Die Leute möchten sich nicht dauernd erklären müssen. Und man vergisst auch oft, dass die meisten Opfer des Islamismus Muslime sind.