Der türkische Verein Ditib verhindert islamische Seelsorger in der Klinik Biberach. Nur ein Imam komme ihm zufolge als Ansprechpartner in Frage. Auch in Mannheim ist der Verein mit seiner ablehnenden Haltung zu Seelsorgern aufgefallen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Biberach - Mehr Zuwendung für muslimische Klinikpatienten– diese integrative und humanistische Idee gefiel der Stadt Biberach. Von 2012 an unterstützte das Rathaus ein Projekt des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog, das sich auch in Südwürttemberg darum bemüht, ein Netz islamischer Seelsorger zur Patientenhilfe zu knüpfen. 190 Stunden Unterricht, 55 Stunden Praktikum plus 25 Stunden Supervision – so lange dauert es, bis die Bewerber sich Islamischer Seelsorger nennen dürfen.

 

Ein türkischstämmiges Biberacher Ehepaar setzte sich in einer Bewerberrunde des Mannheimer Instituts durch und durchlief 2014 ein Jahr lang die Ausbildung in den Räumen des Landratsamts Sigmaringen. Im November erhielten die frisch gebackenen Seelsorger feierlich ihre Zertifikate. Die Arbeit im Biberach Klinikum schien im Januar beginnen zu können. Auch die Sana AG, die das Klinikum 2012 vom Landkreis Biberach übernommen hat, kannte die Bewerber ja längst und hatte sich zunächst aufgeschlossen gegeben.

Plötzlich machte der Klinikbetreiber Sana einen Rückzieher

Aber es kam anders. Die Sana begründet das auf Anfrage damit, die „örtliche islamische Gemeinde“ habe sich „ebenfalls darum beworben, die seelsorgerische Versorgung bei uns im Krankenhaus zu übernehmen“. Die Sana habe sich „dann entschieden, auf diese Möglichkeit (. . .) zurück zu greifen“. Bei der genannten „islamischen Gemeinde“ handelt es sich um den örtlichen Türkisch-Islamischen Kulturverein Ditib. Nach eigenen Angaben hat der Verein in der Stadt 170 zahlende Mitglieder. Seit Oktober vorigen Jahres hat in der Moschee des Vereins ein neuer Imam seine Arbeit begonnen, ausgebildet in der Türkei und im Rang eines türkischen Beamten stehend. Entsendet werden die Geistlichen von der deutschen Ditib-Zentrale in Köln, ein Organ der türkischen Regierung.

Fragt man beim Mannheimer Institut nach, wird der Vorgang völlig anders und mit deutlicher Verärgerung geschildert. Zunächst habe das Sana-Management die Aufnahme zweier islamischer Seelsorger zugesagt, sagt der Institutssprecher Alfred Miess. Doch Monate später, als eine Rahmenvereinbarung zur Kostenteilung unterschrieben werden sollte, stockte das Vorhaben. Miess erfuhr im Gespräch mit einem Sana-Vertreter, wie er erzählt, „dass die Biberacher Ditib-Moschee in einem Schreiben sehr entschieden zum Ausdruck gebracht habe, dass die Sana-Kliniken von der Aufnahme von vom Mannheimer Institut ausgebildeten Seelsorgern absehen mögen“. Später habe die Klinik nachgeschoben, man könne „nicht gegen die Empfindsamkeiten der lokalen Muslime agieren“.

Der Vorsitzende der Ditib Biberach räumt seine Intervention ein

Erstaunlich, dass ein einzelner türkischer Moscheeverein, wenn auch der größte am Platz, in Biberach zum Synonym für alle Muslime geworden zu sein scheint. Der Vorsitzende des Biberacher Ditib-Vereins, Bülent Kasap, räumt jedenfalls seine Intervention zur Verhinderung der neuen islamischen Seelsorger offen ein. Es gebe im Jahresverlauf unter den Kranken immer „nur ein paar ernste Fälle“, und um die werde sich ab sofort der neue Imam kümmern. „Es sind nicht alle todkrank“, sagt Kasap. Wenn es um religiöse Belange gehe, sei ein Imam der einzig richtige Ansprechpartner . Man stelle sich vor, sagt der Vorsitzende, ein christlicher Patient verlange nach geistlichem Beistand, und dann komme jemand, der „einen zehntägigen Crashkurs zum christlichen Seelsorger“ gemacht habe. Für so eine „Parallelveranstaltung“ habe er nichts übrig.

Institutssprecher Miess entgegnet: „Seelsorge beschränkt sich nicht auf Religion, sondern umfasst auch psychosoziale Aspekte. Dafür hat ein Imam eben keine Ausbildung.“ Der Gegenwind in Biberach ist den Mannheimern nicht neu. Wie es heißt, ist die Einsetzung islamischer Seelsorger im städtischen Klinikum Friedrichshafen durch ein ganz ähnliches Vorgehen vom dortigen Ditib-Verein gestoppt worden. Bei lokalen Informationsveranstaltungen des Mannheimer Instituts zur Vorbereitung von Schulungen sollen wiederholt Wortmelder aufgetreten sein, die auf die ablehnende Rolle der Ditib-Bundesorganisation hinwiesen. Neu ausbildete Seelsorger sollen in mehreren Fällen persönlich angegangen worden sein.

Spielt sich hier im Verborgenen ein Kampf um Geld und Einfluss innerhalb der deutschen Gesellschaft ab? Alfred Miess will das nicht kommentieren. Im Sommer, sagt er nur, stehe die nächste Islamkonferenz an. Von ihr hänge ab, ob sich eine alle Glaubensströmungen übergreifende Seelsorge in Deutschland etablieren könne.

Hintergründe zu islamischen Seelsorgern

Das Mannheimer Institut für Integration hatdie Unterstützung des baden-württembergischen Integrationsministeriums. Die Beschäftigung islamischer Seelsorger in Kliniken des Landes wird auch finanziell unterstützt. In Stuttgart sind aktuell 27 Schüler in Ausbildung. Die in Köln ansässige Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, untersteht der Leitung und Aufsicht der türkischen Regierung in Ankara. Dem Dachverband unterstehen in Deutschland 900 wirtschaftlich selbstständige Moscheevereine. Am 13. Januar ist der Lenkungsausschuss der Islam-Konferenz unter Leitung des Bundesinnenministers de Maizière zusammengetreten. Unter anderem wurde vereinbart, „die Einbindung bestehender islamischer Träger in Strukturen der Wohlfahrtspflege“ zu intensivieren.