Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)
Sind Libanon, Palästina und Jordanien die nächsten Ziele der IS?
Im Libanon sind sie schon aktiv. Solange sich die Situation im Irak und in Syrien nicht ändert – und darauf deutet nichts hin –, wird die Gruppe weiter existieren. Es wird weiter rote Linien geben: Erbil ist tabu, ebenso würde ein Angriff auf Bagdad zu internationalem Eingreifen führen. IS wird auch nicht in Gebiete vorrücken, wo ernsthafter Widerstand droht oder wo sie weite Teile der Bevölkerung gegen sich haben, also in kurdische oder schiitische Regionen. Angriffe auf Staaten mit einer funktionierenden Armee und politischen Führung wie Jordanien oder gar die Türkei sind sehr unwahrscheinlich. IS sind religiöse Fanatiker, aber auf militärischem Gebiet stehen sie nicht für Selbstmordstrategien.
Wie groß ist der Rückhalt für IS in den eroberten Gebieten?
In Raqqa, der inoffiziellen Hauptstadt, gab es zunächst durchaus Widerstand. Inzwischen gibt es wohl kaum noch Gruppen, die es wagen, sich sichtbar zu widersetzen. Nach der Einnahme von Mossul gab es Berichte, dass Teile der sunnitischen Bevölkerung gar nicht so unglücklich waren. Das hängt auch damit zusammen, wie sie vom bisherigen Premier al Maliki behandelt wurden. Wie lange die rigide Regierungsform der Dschihadisten mitgetragen wird, ist schwer zu beurteilen. Al Kaida hat sich nach 2006 im Irak die lokale Bevölkerung zum Teil zum Feind gemacht. Aber auch da war es nicht unbedingt so eindeutig, ob es sich wirklich um Widerstand aus der Bevölkerung gehandelt hat oder um einzelne Stammesführer, die um ihre Position fürchteten und von den USA attraktive Angebote bekommen hatten.