Auch der IT-Standort Deutschland hat seinen Mittelstand: Spezialisten wie die Münchner Firma pmOne grenzen sich bewusst ab vom Hype um Start-ups.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

München - Tollkühne Start-ups, die Welt erobernde Innovatoren – das Thema Digitalisierung steckt voller Klischees. Doch Peter Oberegger, der Chef des Münchner IT-Dienstleisters pmOne, hält von solchen Überschriften wenig. „Manches, was über den IT-Bereich und insbesondere zu Start-ups geschrieben wird, halte ich für einen Hype“, sagt er. Er erinnert sich noch gut an die Erfahrungen mit dem Internetboom rund um die Jahrtausendwende. „Wo sind viele Erfolgsfirmen von damals denn heute?“, fragt er. Wenn er über die Strategie einer Firma redet, die immerhin jedes Jahr um rund ein Fünftel wächst, dann klingt er eher wie ein Mittelständler als wie ein IT-Revolutionär. „Wir brauchen keinen Risikokapital-Investor, das ist alles mit eigenem Geld gestützt“, sagt er. Die Heimatbasis der Firma pmOne, bei der seit einigen Jahren auch der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus arbeitet, ist der deutschsprachige Raum.

 

Lieber Facharzt als Revolutionär

Wenn Oberegger pmOne beschreibt, dann fallen ihm eher Vergleiche aus der Medizin ein. „Wir sind nicht der Allgemeinarzt, sondern der Spezialist“, sagt er. Genau genommen sei man ein Spezialist mit einer tiefer gehenden Expertise auf ganz bestimmten Feldern der IT. Die Nutzung von Daten für strategische Entscheidungen, neudeutsch „Business Intelligence“ ist ein solches Feld, auf das sich pmOne spezialisiert hat. Oder die Kombination aus Unternehmensberatung und IT-Strategie, die eine Abteilung der Firma betreibt, in der ehemalige Spezialisten eines renommierten Beratungsunternehmens arbeiten. „Das klassische Beratungsgeschäft und das Thema Software wachsen immer mehr zusammen“, sagt Oberegger. „Big Data ist heute ein Thema, mit dem sich der Firmenchef beschäftigen muss. Wo kommt die nächste große Welle? Wenn ich die nicht sehe, bin ich weg.“ Er selbst hat in seiner Zeit beim einstigen finnischen Mobiltelefonhersteller Nokia erlebt, wie eine Firma von einer solchen Welle hinweggespült wurde – und anschließend als Chef des Familienunternehmens Vorwerk den deutschen Mittelstandes von innen kennengelernt. „Es gibt Dax-Konzerne, die deshalb sagen, dass sie binnen zehn Jahren zum Softwareunternehmen mutieren müssen.“ Der Mittelstand schrecke vor solchen radikalen Schlussfolgerungen aber oft noch zurück: „So manche Mittelständler, zumindest in einigen Branchen, glauben noch, das gehe an ihnen vorbei.“

pmOne verkauft also nicht einzelne Softwarebausteine. Man hat den Anspruch, ob bei Großkonzernen oder mittelständischen Kunden, die ganze Kette vom Materialeinkauf über die Herstellung bis hin zum Marketing in den Blick zu bekommen. „Bei Logistik und Marketing sind wir bei der Datennutzung heute schon ziemlich weit“, sagt Oberegger. Nun gelte es andere Bereiche in den Blick zu bekommen. pmOne hat beispielsweise ein Werkzeug entwickelt, mit dem der Rohstoffeinkauf verbessert werden kann. Das sei etwas ganz anderes als eine Software, die etwa Marktprognosen für Spekulanten erstellt. Ein Unternehmen will nicht spekulieren, sondern möglichst vorausschauend wissen, wann der beste Zeitpunkt ist, um die eigenen Vorräte aufzufüllen. Und dazu gehört auch ein genaues Wissen über die Produktionsabläufe und die Zeiträume, in denen der Bedarf am größten ist. Vorausschauende Analyse („predictive analytics“) ist das Schlagwort, was darin steckt. Ein Unternehmen wie pmOne sieht die in Deutschland oft skeptisch betrachteten, wachsenden Möglichkeiten zum Datensammeln positiv. Ein aktuell entwickeltes Programm namens Wundermail beispielsweise, erlaubt es die Ergebnisse von E-Mail-Werbung sofort zu analysieren. „Natürlich nur, wenn der Nutzer zugestimmt hat“, sagt Oberegger. Aber das eigentliche Potenzial liege ganz woanders: In den Daten, die jede Firma schon besitzt – und aus denen sie bisher zu wenig macht.

Traditionelle Tugenden kombiniert mit der Datenwelt

pmOne steht dabei stellvertretend für eine ganze Reihe anderer deutscher IT-Unternehmen, die von der Kombination traditioneller deutscher Industrietugenden mit der modernen Datenwelt leben. Namen wie Bechtle, Datagroup, Informatica oder All for One Steeb stehen beispielsweise in der Region Stuttgart und Umgebung für IT-Spezialisten, die eher wie Mittelständler ticken als wie Start-ups. „Die Leute, die sich gerne an konkreten Projekten weiterentwickeln wollen und vielleicht in ihrer aktuellen Lebensphase nicht so sehr zur Start-up-Kultur passen, kommen gerne zu uns“, sagt Oberegger.