Der US-Anbieter Informatica glaubt, dass gerade am Industriestandort Baden-Württemberg die Informationstechnologie enormes Potenzial hat. Produktionsfirmen werden auch zu IT-Spezialisten.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Maschinen, Autos, Investitionsgüter – die Region Stuttgart pflegt ihren Ruf als weltweit anerkannter Produktionsstandort. Doch trotz Unternehmen wie Hewlett-Packard und IBM, die in der Region ihre zentralen deutschen Standorte haben, denkt man bei Stuttgart weniger an die Informationstechnologie.

 

Doch Dirk Häußermann von der IT-Firma Informatica hält es nur für eine Frage der Zeit, wann der Großraum Stuttgart auch als ein bedeutender IT-Standort wieder verstärkt in den Blick kommt. „Stuttgart ist in der IT schon heute stark – und wird in der Zukunft noch stärker werden. Schauen Sie doch einmal an wie viele Softwareentwickler die Automobilindustrie zurzeit einstellt“, sagt Häußermann, der von Stuttgart aus das Geschäft für den deutschsprachigen Raum leitet. Die Firma, die 2012 durch den Zukauf der Heiler Software AG in der Region Fuß fasste, ist darauf spezialisiert, Daten aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzuführen und besser nutzbar zu machen. Informatica gehört inzwischen zusammen mit US-Risikokapitalfirmen den IT-Konzernen Microsoft und Salesforce und hat weltweit rund 4000 Mitarbeiter.

Die Deutschlandzentrale wanderte von Frankfurt nach Stuttgart

Die Tatsache, dass nach der Übernahme von Heiler der Deutschlandsitz von Frankfurt nach Stuttgart verlegt wurde, unterstreiche die Bedeutung des hiesigen Markts, sagt Häußermann. „Die Unternehmen in der Region sind auf Innovation fokussiert. Und da ist die Informationstechnologie heute Chefsache. Und es gibt auch immer mehr spezielle Datenmanager in den Unternehmen, die sich darum kümmern, was mit den Daten gemacht wird und welche Geschäftsmodelle darin stecken.“ Die IT sei nicht mehr nur ein zugekauftes Werkzeug, sondern betreffe immer mehr den Kern des Produkts – deshalb stecke im Produktionsstandort Stuttgart beim Thema IT und Digitalisierung ein großes Potenzial: „Wie verändern Daten das Geschäft? Das ist die Schlüsselfrage“. Das betrifft auch Unternehmen, die schon seit 100 Jahren mit ihren Produkten auf dem Markt sind. „Sie haben schon die Kunden, sie haben unglaublich viele Daten und fragen sich nun: Wie können wir die sortieren?“, sagt Häußermann.

Tief reichende Wurzeln in der Region

Trotz des US-Eigentümers hat Informatica tief reichende Wurzeln in der Region Stuttgart (siehe Infokasten). Das Vorgängerunternehmen, das Informatica im Jahr 2012 für 81 Millionen Euro übernahm, war die IT-Firma von Rolf Heiler, einem Vollblutunternehmer und IT-Experten, der nach dem Börsengang 2000 die Stürme der „New Economy“ überstehen musste. Die Ende der achtziger Jahre gegründete Heiler Software AG verschrieb sich schon früh mit Plattformen für den Onlinehandel der Internetökonomie. Unternehmensgründer Heiler war trotz der relativ kleinen Größe seiner Firma ein bekannter Name der so genannten „New Economy“. Viele Mitarbeiter von Heiler arbeiten weiter für Informatica. Auch das wichtigste Produkt klingt heute noch nach schwäbischen Tugenden: Datenqualitätsmanagent wird in einer Zeit der so genannten Industrie 4.0 und der Digitalisierung immer wichtiger. Daten schlummern heute nicht mehr in getrennten Datenbanken. Sie müssen miteinander verknüpft und produktiv gemacht werden. Genau nach einer solchen Ergänzung hätten die Amerikaner von Informatica gesucht. „Unsere IT wurde vor 15 Jahren hier erfunden: Das ist wirklich Made in Stuttgart“, sagt Häußermann.

Schwaben und Schweiz als Imageträger

Er nutzt zur Imagepflege gleich auch noch das südliche baden-württembergische Nachbarland: „Wir sind die unabhängige Schweiz des Datenmanagements. Wir verbinden jedes System wir haben keine Anwendungen, keine Datenbanken, keine Internet-Cloud.“ Man bringe die Daten so von A nach B, damit sie auch ausgewertet werden können. „Wenn die Daten falsch sind, bringt ihnen die beste Analyse nichts. Sie brauchen keinen Datensumpf, sondern klares Wasser,“ sagt er. Stuttgart ist eines der globalen Entwicklungszentren für Informatica, trotz hoher Löhne. Man sieht sich als Premiumanbieter – als Mercedes und Porsche des Datenmanagements.

Nach der Übernahme blieb man auch wegen der qualifizierten Mitarbeiter in Stuttgart. Und fast drei Jahrzehnte nach Rolf Heilers ursprünglicher Gründung bekennt man sich selbstbewusst zur eigenen Herkunft. Häußermann selbst stammt aus der Region. Auch in der globalisierten Welt brauche es kurze Wege zu den Kunden, sagt er: „Wir verkaufen mit regionalem Akzent. Die Kunden schätzen schon, wenn auch einmal einer Schwäbisch spricht. Sie arbeiten international – aber wenn sie etwas einkaufen, bleibt der persönliche, regionale Bezug wichtig.“

Das Vorgängerunternehmen Heiler Software

Geschichte
– Rolf Heiler, Jahrgang 1959, hatte sein Softwareunternehmen 1987 gegründet. Zunächst hatte der Betriebswirt sich auf Individual- und später auf Standardprogramme für Banken, Versicherungen sowie große Industrieunternehmen konzentriert. Heiler wurde zu einem bekannten Namen des Internetbooms um die Jahrtausendwende. Damals offerierte Heiler elektronische Marktplätze für Unternehmen. Als die Internetblase platzte, erodierte auch das Geschäftsmodell.

Verkauf
– Doch die Firma erfand sich neu und konzentrierte sich unter anderem auf Heiler elektronische Beschaffungssysteme und Produktmanagement. Ende 2012 bot Informatica das Zweieinhalbfache des Börsenwerts – und überzeugte damit den Gründer Heiler, der einen Verkauf vorher skeptisch sah. Heiler hielt zusammen mit seiner Familie rund 30 Prozent der Aktien und dürfte fast 25 Millionen Euro verdient haben.