Von wegen runtergekommen: Genua war lange Jahre bei Touristen eher als Fährableger denn als Reiseziel bekannt. Heute lohnt sich ein Besuch.

Genua - Genua, das ist doch diese schmuddelige Hafenstadt. Dort muss man eben hin, wenn man nach Elba oder Sardinien übersetzt. Aber es ist kein Ziel für eine Städtereise. Oder doch? Anna Sartori, eine elegante Erscheinung mit blonden Haaren und großem kunsthistorischen Wissen, kennt als Stadtführerin überzeugende Argumente. Eine Viertelstunde Fußmarsch vom Hafen entfernt liegt die Via Garibaldi. Eine Fußgängerzone, in der sich ein Palazzo an den nächsten reiht. Jede Fassade hat eine andere Farbe, es gibt den Palazzo Rosso, Palazzo Bianco, den Palazzo Tursi und noch viele andere Villen mit klingenden Namen. Sie sind schon von außen eine Augenweide. Ihre ganze Schönheit offenbaren sie jedoch nach dem Eintreten: monumentale Kronleuchter, rote Samtvorhänge, prächtige Wände, die überzogen sind mit Fresken und an denen sich ein van Dyck genauso wie ein Dürer findet. Die riesigen Räume, so groß wie Hallen, gleichen Schatzkammern.

 

Eine Offenbarung des Prunks der Barockzeit und der Pracht der Renaissance, eine Orgie aus Gold und Stein. Diese Anhäufung von Baukunst und Opulenz auf der Via Garibaldi ist kein historischer Zufall, sondern das Ergebnis einer exakten Planung, weiß Anna Sartori. Die Via Garibaldi hieß einmal Strada Nuova, neue Straße, und dort haben im Laufe von zwei Jahrhunderten die reichsten Familien der Stadt ihre Villen gebaut. Die Paläste stammen aus der Zeit, als Genua eine der wichtigsten Städte Europas war. Eine stolze und reiche Seefahrerrepublik, die von einem Dogen verwaltet wurde und nicht unter der Herrschaft eines Königs stand. „Wir haben eine ähnliche Geschichte wie Venedig“, sagt Anna Sartori selbstbewusst. Palazzi dei Rolli heißen diese herrschaftlichen Wohnsitze in Genua.

Im Palazzo Tursi regiert heute der Bürgermeister

Rolli bedeutet Listen, und wessen Haus auf der entsprechenden Liste stand, der durfte Staatsgäste beherbergen. Wenn die Könige oder Päpste zu Besuch in Genua waren, dann wurden sie in diesen Palazzi dei Rolli untergebracht. Sie waren die Fünf-Sterne-Häuser des Barock. Heute sind in diesen Palästen Museen oder Banken untergebracht. Es gab einmal über 100, davon sind noch 42 erhalten. Zweimal im Jahr werden bei den „Rolli Days“ für ein Wochenende auch die Villen geöffnet, die ansonsten nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Im Palazzo Tursi regiert heute der Bürgermeister, in der Via Garibaldi 12 hat zeitgenössisches Design das Sagen. Die modernen Sessel, die klaren Leuchten und schlichten Bücherregale in den prunkgeschmückten Räumen ergeben eine wunderbare Spannung. Man mag sich kaum sattsehen an den Kontrasten in diesem Designladen der besonderen Art. Interessante Läden gibt es noch an anderen Stellen in Genua. Läden, in denen man nicht unbedingt etwas haben will, sich aber gerne umschaut.

Beim Metzger etwa, der nur Kutteln verkauft, 50 Kilo am Tag. Es riecht ein bisschen streng. Gegenüber gibt es ausschließlich Hähnchen und Chilis - als „Viagra dei Poveri“ wird es angepriesen. Die Altstadt von Genua ist eng, der Platz in dieser Stadt zwischen Hafen und Bergen war und ist begrenzt. Man weiß manchmal nicht, wo die Sonne gerade steht, wenn man durch die engen Altstadtgassen schlendert - der Himmel ist zwischen den sechsstöckigen Häusern kaum zu sehen. Deshalb sind die Läden auch so spezialisiert, weiß Anna Sartori: Auf so wenig Platz bietet man eben nur eine Ware an. Es gibt Friseure und Gemüseläden im Miniaturformat, genauso wie Konditoreien, deren Einrichtung schon über 150 Jahre alt ist. Die Pasticceria Marescotti in der Via di Fossatello ist so ein historischer Laden für Liebhaber. Genua hat viele davon: etwa den Herrenausstatter Finollo in der Via Roma. Dort lässt sich ein älterer Herr im dunkelblauen Anzug gerade einen Wollpullover einpacken.

Die guten Stücke in allen möglichen Pastellfarben liegen in verspiegelten Schränken aus dunkler Eiche. Der Herr hätte sich auch einen Schirm mit geschnitztem Griff aussuchen können. Oder ein Hemd mit Wechselkragen. Oder Manschettenknöpfe. Bei Finollo gibt es Dinge, die man als Mann weder kennt noch braucht. Als Herr aber schon. Ein paar Gassen weiter kann sich der Herr von Welt einen Hausmantel aus Samt maßschneidern lassen. Noch ein paar Ecken weiter toben Kinder auf einem winzigen Platz, zwei Gässchen weiter wartet eine Prostituierte auf Kundschaft. Glanz und Elend liegen in dieser quicklebendigen Hafenstadt noch immer nah beieinander. Dabei hat selbst der Hafen sein schlechtes Image schon in den 90er Jahren abgelegt. Dort legen immer noch Schiffe und Fähren an und ab, auch viele Kreuzfahrtriesen sind darunter. Der alte Hafen, der Porto Antico, ist heute aber ein beliebtes Freizeitquartier mit Museen, einem Aquarium als Besuchermagnet und einem kleinen Vergnügungspark. Renzo Piano, einer der großen Söhne der Stadt und einer der berühmtesten Architekten der Welt, hat das geplant. Schmuddelig ist dort jedenfalls nichts mehr.

Infos zu Genua

Anreise
Mit dem Auto dauert die Fahrt rund sieben Stunden, mit der Bahn ab Stuttgart (umsteigen in Zürich und Mailand) knapp zehn Stunden. Die Lufthansa ( www.lufthansa.com ) fliegt über München oder Frankfurt ab Stuttgart nach Genua, das Ticket kostet rund 210 Euro.

Rolli Days
Vom 30. Mai bis zum 2.Juni finden wieder die „Rolli Days“ statt. An diesen Tagen ist der größte Teil der insgesamt 42 erhaltenen Palazzi für die Öffentlichkeit zugänglich, auch die im Privatbesitz befindlichen Gebäude. Zudem finden in den Innenhöfen zahlreiche Veranstaltungen statt, es wird getanzt und es gibt Konzerte. Infos unter www.visitgenoa.it/de und www.rolliestradenuove.it

Boccadasse
Ein rund einstündiger Spaziergang führt entlang der Küste bis zum Fischerörtchen Boccadasse. Der Ort ist eine Postkartenschönheit mit bunten Häuschen, einem kleinen Strand und Fischerbooten. Hervorragend isst man im Restaurant Cap Santa Chiara auf einer schönen Terrasse, besonders reizvoll ist das Lichterspiel an Küste und auf dem Meer bei Nacht. www.caposantachiara.com

Genua von oben
Die Wohnviertel in der Oberstadt sind mit Standseilbahnen oder Aufzügen mit dem Zentrum verbunden. Der Lift Piazza Portello-Castelletto kostet einen Euro, dafür genießt man eine fantastische Aussicht über die Stadt und das Meer. Auch der Spaziergang wieder hinunter ist reizvoll. Einen spektakulären Blick über die Dachlandschaft und den Hafen hat man von der Terrasse des Palazzo Rosso. Einfach den Aufzug bis zum letzten Stockwerk nehmen: spektakulär. Nichts für Menschen mit Höhenangst ist die Fahrt mit dem an einem Kran aufgehängten Panoramalift Bigo im Porto Antico. Die Kabine fährt 40 Meter in die Höhe und dreht sich oben einmal um 360 Grad.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten Sie sich eine meditative Pause im Aquarium gönnen. Es gehört zu den größten in Europa und hat knapp 50 Becken, u. a. ein riesiges Bassin für Delfine. Auch das Betrachten von leuchtenden Quallen, Rochen und Haien hinter Glas wirkt entspannend. Das Aquarium gehört zu den großen Attraktionen von Genua, insofern gibt es Warteschlangen. Die Tickets sind online buchbar. www.acquariodigenova.it

Auf keinen Fall sollten Sie nach Hause fahren, ohne ein Gläschen Pesto Genovese gekauft zu haben. Auf der Via XX Settembre 272 ist in einem ehemaligen Kloster der Mercato Orientale untergebracht. In dieser Markthalle gibt es hervorragendes Pesto zu kaufen, das in Genua mit einer besonderen Sorte kleinblättrigem Basilikum zubereitet wird.

Sehenswert
Weniger gut besucht als das Aquarium ist Galata Museo del mare. In dieser ehemaligen Werft ist eine begehbare Galeere im Maßstab 1:1 aufgebaut. Auf mehreren Stockwerken werden die Geschichte der Seefahrt und das Leben auf See erklärt - mit historischen Exponaten, Filmen und szenografischen Umsetzungen. www.galatamuseodelmare.it

Unterkunft Gediegen und mit einem reichhaltigen Frühstücksbüfett: Grand Hotel Savoia, DZ/mit Frühstück ab 139 Euro. www.grandhotelsavoiagenova.it

Etwas einfacher, aber ebenso empfehlenswert ist das Cairoli, DZ/mit Frühstück ab 110 Euro. www.hotelcairoligenova.com

Weitere Übernachtungsmöglichkeiten über die Touristinfo: www.visitgenoa.it/de

CMT
Das Land Italien ist mit mehreren Ständen auf der CMT vertreten. Diese sind auf der Stirnseite in Halle 4 zu finden.