Für die Weltausstellung Expo 2015 ist ein rund eine Million Quadratmeter großes Ausstellungsgelände entstanden - ein Kontrast zur historischen Innenstadt.

Mailand - „Zu mir kommen Alte, Junge, Arme, Reiche, sogar Berlusconi saß schon hier.“ Seit 32 Jahren stellt Kartenlegerin Rosa Picchillo jeden Abend ihr Tischchen in einer der Gassen des Mailänder Brera-Viertels auf, liest die Zukunft in Sachen Liebe, Arbeit, Geld und Geschäfte aus den Karten. „In der aktuellen Krise interessieren vor allem die beruflichen Aussichten“, verrät sie. Schlechte Zukunftsprognosen behielte sie gerne für sich - fürs eigene Geschäft eine erfolgreiche Strategie. An Kunden fehlt es nicht. Rund um den Palazzo di Brera, Sitz der Nationalbibliothek Braidense, der Kunstakademie, des Astronomischen Observatoriums, aber vor allem der sehenswerten staatlichen Pinakothek, erstreckt sich das Stadtviertel, das viele das Herz Mailands nennen. Im 19. Jahrhundert trafen sich hier Künstler, Schriftsteller und Bohemiens.

 

Heute locken Bars, Restaurants, Boutiquen, Galerien und Straßenhändler Einkaufswillige und Nachtschwärmer. Mailand ist mehr als die weltweit bekannte Modemetropole, der die Künstler Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen auf der Piazza Cadorna mit ihrer Skulptur „Nadel, Faden und Knoten“ ein Denkmal setzten. Von Mai bis Oktober 2015 ist Mailand vor allem Expo. Gegenüber dem Castello in der Innenstadt wirbt das sogenannte Expo Gate - ein besonders gestaltetes Infozentrum - für die Weltausstellung.

148 Länder und internationale Organisationen

Das Motto der Expo 2015 lautet „Den Planeten ernähren, Energie für das Leben“. Für das Ereignis hat Mailand sich aufgehübscht. Ein rund eine Million Quadratmeter großes neu gestaltetes Ausstellungsgelände ist im Nordwesten der Stadt entstanden, wo sich unter den Stichworten „limitierte Ressourcen“, „Energieersparnis“, „Achtung der Umwelt“ und „besonnenes Wassermanagement“ 148 Länder und internationale Organisationen präsentieren. Einziger offizieller Expo-Pavillon außerhalb des Ausstellungsgeländes ist das Designmuseum Triennale im Parco Sempione. Hier fand 1906 schon einmal eine Weltausstellung statt. Unter dem Titel „Arts & Foots. Rituali dal 1851“ thematisiert das Museum die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Nahrung.

Gezeigt werden Exponate von Stillleben alter Meister über Plattencover bis hin zu Installationen aus Küchengeräten. Das moderne Mailand findet sich auch an der Metrostation Garibaldi. Im hier jüngst entstandenen Stadtteil Porta Nuova prägen Wolkenkratzer weithin sichtbar die neue Skyline. „Bosco Verticale“, der vertikale Wald, zwei vom italienischen Architekten Stefano Boeri entworfene Hochhäuser, sind auf den Balkonen mit rund 1000 Bäumen und Sträuchern bepflanzt. 2014 wurden die Gebäude mit dem International Highrise Award ausgezeichnet. Unweit gruppieren sich rund um die Piazza Gae Aulenti die Anfang letzten Jahres eingeweihten drei Hochhäuser des argentinischen Architekten César Pelli. Darunter der Unicredit-Turm, inklusive seiner stählerneren Spitze rangiert er mit 231 Metern als derzeit höchstes Gebäude Italiens. Abends tummeln sich auf der rund angelegten Piazza vor dem Hochhauskomplex Kneipenbummler, während Jogger den künstlichen See in der Platzmitte mehrfach umrunden.

Kostbarstes Ausstellungsstück: Michelangelos „Pietà Rondanini“

„Hier ist ein tolles neues Quartier entstanden“, lautet ihr Urteil, bevor sie weiterrennen in Richtung Innenstadt. Von der Haltestelle Cairoli sind es nur wenige Schritte zum Castello Sforzesko. Einst Wirkungsstätte bekannter Künstler wie Bramante und Leonardo da Vinci, heute Sitz mehrerer Museen. Kostbarstes Ausstellungsstück: Michelangelos „Pietà Rondanini“ - das letzte, unvollendete Werk des Künstlers, an dem dieser bis kurz vor seinem Tod arbeitete. „Ab Anfang Mai können wir dieses Meisterwerk endlich in einem eigens dafür restaurierten Raum präsentieren und so die Einzigartigkeit der Pietà würdig zur Geltung bringen“, freut sich Museumskonservatorin Giovanna Mori. Im Herzen der Stadt erstrahlt derweil der Dom in neuem Glanz und wurde die vor 150 Jahren erbauten Galleria Vittorio Emanuele restauriert, einst überdachte Einkaufsmöglichkeit für die Regen verachtende feine Mailänder Gesellschaft, heute Verkaufsplatz für Luxuslabels. Zwei davon, Prada und Versace, haben mit Beteiligung der Buchhandelskette Feltrinelli die Restaurierung finanziert. Vom „Camparino“ aus, der Bar, deren Namen daran erinnert, dass Campari in der Galleria berühmt wurde, lassen sich der neue Glanz von Mosaikfußboden, Glaskuppel und Prunkfassade bewundern.

„Bei mir gibt es den besten Campari con seltz“, ist Orlando Chiari, 81-jähriger Betreiber der Bar, überzeugt und lüftet sein Erfolgsgeheimnis: „Das Selterswasser wird über eine Leitung direkt aus einem Tank im Keller ins Glas gepumpt. Der stärkere Druck des Systems bringt die Geschmackskomponenten des Campari besser zur Geltung.“ Mit über 20 Millionen erwarteten Besuchern hofft Mailand langfristig von der Expo zu profitieren. „Parallel zum hoch technisierten Ausstellungsgelände entwickelt Mailand sich zu einer nachhaltigen Stadt, zur italienischen Hauptstadt der Innovation und des Start-up. Nach der Expo wird das Ausstellungsgelände als Technologiezentrum mit fortschrittlicher, ökologisch nachhaltiger Infrastruktur, umgeben von vielen Grünflächen, genutzt werden“, ist sich Mailands Bürgermeister Giuliano Pisapia sicher. Ob die Zukunft das bringen wird, dazu schweigt die Kartenlegerin im Brera-Viertel.

Infos zu Mailand

Anreise
Germanwings fliegt ab Stuttgart nach Mailand ( www.germanwings.com ). Zugverbindungen unter www.bahn.de . Mit dem Auto über A 81, A 4, E 41, A 2 Singen-Zürich-Gotthard-Como-Mailand. Gebührenpflichtige Straßen in der Schweiz und Italien, in Mailand zeitweise im Innenstadtbereich City-Maut.

Unterkunft
Das Ibis Milano Centro ist ein funktionales Businesshotel im Herzen der Stadt, Doppelzimmer mit Frühstück ab 135 Euro. http://ibis-milano-centro.hotel-rez.com/index_de.htm

Im Hotel De La Ville logiert man auf Vier-Sterne-Niveau in der Nähe des Doms. DZ/F ab 320 Euro, www.delavillemilano.com .

Das frisch renovierte Excelsior Hotel Gallia vereint moderne Ästhetik mit Belle-Epoque-Stil und prunkt mit Panoramabar und Spa-Bereich. DZ ohne Frühstück ab 275 Euro. www.excelsiorhotelgallia.com

Expo 2015
Die Weltausstellung Expo hat am 1. Mai eröffnet und dauert noch bis zum 31. Oktober. Zur Ausstellung gibt es eine App für iPhone und Android im Apple Store oder bei Google Play mit Infos rund um die Expo und Lageplan etc. Alle Informationen im Internet unter www.expo2015.org .

Allgemeine Informationen
Fremdenverkehrsverband für Mailand und die Lombardei: http://wonderfulexpo2015.info/de/

Buchtipp: Kirstin Hausen: „Mailand“ aus der Reihe Merian Momente, 14,99 Euro.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall auf die Dachterrassen des Doms steigen und Mailand von oben genießen.

Auf keinen Fall versuchen, auf der Expo alles an einem Tag anschauen zu wollen. Bei 148 Teilnehmerländern, über 60 mit eigenem Pavillon, ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Lieber mittels der Expo-App gezielt nach Interesse auswählen.