Steht Italien erneut vor einem politischen Umbruch? Dies sind die möglichen Szenarien, wie es nach dem Verfassungsreferendum am Sonntag mit Italien und Ministerpräsident Matteo Renzi weitergeht.

Rom - Es gibt mehrere mögliche Szenarien, wie es nach dem Verfassungsreferendum am Sonntag mit Italien und Matteo Renzi weitergeht.

 

Italiener stimmen mit „No“

Ein Nein wäre zunächst nur die Ablehnung der Verfassungsänderungen. Die letzten Umfragen vor der Wahl sahen die Gegner vorne. Allerdings gibt es noch viele Italiener, die unentschieden sind, ob sie am Sonntag wählen gehen und wenn ja, wo sie ihr Kreuz machen werden. Ebenso unklar ist, wie es am 5. Dezember, am Tag danach, im Falle eines „Nein“ mit Italien weiter geht.

Was bedeutet ein „No“ für Renzi und die Regierung?

Gewinnt das „No“ könnte Matteo Renzi seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten bekannt geben. Er hatte im Frühjahr dieses Jahres das Referendum mit seinem eigenen politischen Schicksal verknüpft und somit die Wahl für viele zu einer Wahl pro oder contra Renzi werden lassen. Zwar hat der 41-Jährige diesen Fehler im August eingestanden und verkündet, egal was passiere, Neuwahlen werde es erst 2018 geben - doch in den vergangenen Wochen hat er immer wieder durchblicken lassen, dass er für eine Übergangsregierung nach einem „Nein“ nicht zur Verfügung stehen würde. Es gibt aber auch Stimmen, die davon ausgehen, dass Renzi auch bei einem „Nein“ im Amt bleiben wird.

Gibt es Neuwahlen, wenn Renzi zurücktritt?

Nicht unbedingt. Im Falle eines „Neins“ wird Staatspräsident Sergio Mattarella zum Mann der Stunde. Renzi muss bei ihm um einen Rücktritt bitten – theoretisch kann Mattarella ihm den sogar verweigern. Nimmt er ihn an, setzt der Staatspräsident eine Übergangsregierung ein. Aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge Renzis in einem solchen Fall ist der aktuelle Finanzminister Pier Carlo Padoan. Diese Übergangsregierung könnte bis zu den turnusmäßigen Wahlen 2018 das Land regieren. Mit dem Reformeifer der Regierung Renzi wäre es damit vorbei. Kommt es zu Neuwahlen, wäre deren Ausgang derzeit ungewiss: In den Umfragen liegt die Fünft-Sterne-Bewegung leicht vor dem Partito Democratico. Ob sich die rechten Parteien Forza Italia, Lega Nord und Nuovo Centrodestra, von denen keine derzeit über 12 Prozent kommt, spontan zusammenraufen und auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können, ist aktuell eher unwahrscheinlich. Da Neuwahlen nach dem neuen Wahlgesetz erfolgen würden, wonach die Partei, die über 40 Prozent der Wählerstimmen erhält, oder die in einer Stichwahl gewinnt, automatisch die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten würde, kann keine der etablierten Parteien dies im Augenblick wollen.

Welche Gefahr besteht für Europa bei einem „Nein“?

Experten befürchten, dass wegen dieser Unsicherheiten nach einem „Nein“ der Spread, also die Zinsen, die Italien für seine Staatsschulden zahlen muss, rasant ansteigen würde. Eine mögliche Übergangsregierung müsste die Steuern erhöhen, um ihre Ausgaben zu decken, was wiederum negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hätte. In Europa fürchtet man bereits, bald ein Rettungspaket für Italien schnüren zu müssen. Auch wäre die Rettung der Banken, allen voran der Monte dei Paschi di Siena, in Gefahr. Wenn es der Bank - wegen fehlenden Vertrauens in einen instabilen Staat Italien - nicht gelingt, die Eigenkapitaldecke mit Geld auch aus dem Ausland wie geplant mit fünf Milliarden Euro zu stärken, müsste sie vom Staat gerettet werden. Nach den EU-Regeln würden jedoch auch Kleinsparer dadurch Verluste machen. Was wiederum die Stimmung im Land anheizen und Populisten weiteren Zulauf bringen würde. Politisch besteht das größte Risiko für Europa in Neuwahlen und einem anschließenden Sieg der Fünf-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo. Eine der Wahlversprechen der Bewegung ist ein Referendum über den Ausstieg Italiens aus dem Euro - allerdings nicht, wie oft behauptet wird, aus der Europäischen Union.

Die Italiener stimmen mit „Si“

Gewinnt entgegen der Umfragen der vergangenen Wochen das „Si“ wäre das ein großer Machtgewinn für Ministerpräsident Matteo Renzi. Er erhofft sich dadurch eine schnellere Durchsetzung seiner geplanten Reformen, beispielsweise in der Justiz. Die Zustimmung wäre aber nur der Anfang, wie auch Renzi immer wieder betont. Sie wäre vor allem ein symbolischer Sieg, denn Reformen im Eiltempo wird es auch bei einem „Si“ nicht geben: Der Senat würde bis zur nächsten Wahl bleiben wie er ist, mit denselben Rechten in der Gesetzgebung wie die Abgeordnetenkammer und in seiner bisherigen Größe von 315 Senatoren. Der neue Senat, bestehend aus nur noch 100 Senatoren und mit weniger Einfluss, würde erst nach einer Wahl neu gebildet werden. Dass Renzi nach einem „Si“ direkt Neuwahlen ausruft, gilt wegen der Turbulenzen im aktuellen Wahlkampf und der Stimmung im Volk als unwahrscheinlich. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.italien-anstehendes-referendum-setzt- italienischen-bankenaktien-zu.a9462e33-6e2c-4be8-96d5-b93ad34ee854. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.italien-renzi-nennt-zeitraum-fuer- verfassungsreferendum-in-italien.a1fd4c7a-2576-46fb-aa1d-730a4d48546