Auf Caesar wird die bekannte Redewendung „den Rubikon überschreiten“ zurückgeführt. Sie bedeutet, sich unwiderruflich auf eine riskante Handlung einzulassen. In Italien wetteifern drei Städte darum, der geschichtsträchtige Ort zu sein.

Savignano - „Noch können wir zurück. Doch wenn wir diese kleine Brücke überschreiten, wird alles mit Waffen auszutragen sein.“ Bedeutungsschwanger rief Julius Caesar diese Tageslosung im Morgennebel des 10. Januar 49 v. Chr. seinen Truppen zu, auf dem Nordufer des Flüsschens Rubikon. Behauptet jedenfalls Sueton, Caesars Biograf, der offenbar ein schlampiger Geograf war. Kein Wort von ihm dazu, wo genau diese Brücke stand. „Natürlich war’s unsere Brücke“, sagt Enzo im Café Centrale in Savignano sul Rubicone, etwa 17 Kilometer westlich von Rimini. „Ja klar, unsere Brücke war’s!“, schallt es mehrstimmig von der Theke des Cafés. Doch warum grinsen diese Campari-Genießer dabei so verschmitzt? Vermutlich, weil sie an die schlitzohrigen Vorfahren ihrer Stadt denken. Denn deren Motto war: Wenn Geschichtsschreiber es nicht hinkriegen, schreiben wir eben selbst Geschichte - und zwar von einem, dessen Tinte so schnell keiner wieder löscht: Mussolini!

 


Der italienische Faschistenführer ließ sich in den frühen dreißiger Jahren auf dem Weg zu seiner Strandvilla oft über Savignanos Brücke kutschieren, erzählt Ex-Bürgermeister Alberto Casadei. Beim Espresso-Stopp haben die Stadtoberen den Duce einfach mal gefragt, ob er ihren Bach namens Fiumicino nicht in Rubikon umbenennen könne. Mussolini hielt sich länger schon für Südeuropas Neuzeit-Caesar und taufte den Fluss prompt um - per Dekret vom 4. August 1933. Doch bei einer Tour durch die Weinberge und Sonnenblumenfelder dieser lieblichen Gegend mit Toskana-Charme wird schnell klar, die Beute aus dem Mussolini-Handstreich ist den 17 000 Einwohnern Savignanos keineswegs sicher. Schon im Nachbarort Santarcangelo schütteln sie energisch den Kopf. Nein, nicht Savignanos Fiumicino, sondern das Flüsschen Uso, das durch Santarcangelos fließt, sei der Rubikon. Signore Marchi von der historischen Druckerei hat sogar Beweismaterial zur Hand. Er fischt einen großformatigen, historischen Atlas namens „Tabula Peutingeriana“ hervor. „Der stammt von dem berühmten deutschen Mittelalter-Kartografen Peutinger - hier, lesen Sie selbst!“


Der Ortsname Calisese setze sich aus callis (Pfad) und caesare zusammen

Tatsächlich, in dem vergilbten Folianten findet sich ein Rubicone ganz nah bei Santarcangelo. Allerdings auch Peutingers Gebrauchsanweisung für die „Tabula“. Flüsse, heißt es darin unmissverständlich, stimmten in seinen Karten „nur in den seltensten Fällen mit ihrem tatsächlichen Verlauf überein“. Ein Flop, der im 15 Kilometer entfernten Örtchen Calisese nicht passieren kann - dank Lokalhistoriker Rino Zoffoli. Der Ortsname Calisese setze sich aus callis (Pfad) und caesare zusammen: Caesars Pfad! Nun, das sei zwar nicht eindeutig bewiesen, murmelt Zoffoli dann in seinen Bart, schiebt aber gleich gewitzt Bedeutungsvariante Nummer zwei hinterher: calles caesae, also Pfade des Gemetzels. Eine dieser beiden Übersetzungen sei bestimmt richtig, resümiert Zoffoli, immerhin gäbe es ja diese alte Volkssage von der Schlacht in römischer Zeit. Die habe genau hier stattgefunden. „Und außerdem trägt unsere Kirche San Martino den Zusatz Rubicone, und zwar seit etwa 800 n. Chr. - und nicht von Mussolinis Gnaden!“


Oh ja, der Groll über den Coup des Nachbarn mit dem Duce sitzt bis heute tief, auch bei Zoffoli: „Unsere Caesar-Statue steht zwei Jahre länger als die in Savignano“, zischt er entrüstet und führt die Besucher in einen Olivenhain an der Hauptstraße. Mittendrin steht die Büste und gleich daneben plätschert das Flüsschen Urgon - natürlich der einzig wahre Rubikon! Der Streit schwelt nun schon Jahrzehnte. Schuld daran sind - außer Caesars Schreiber Sueton - auch Bauern und emsige Wasserwirtschaftler. Sie verlegten den Flusslauf immer mal wieder, nachdem der Rubikon Felder überschwemmt und Saat vernichtet hatte. Irgendwann verloren die Landschaftsdesigner das Urstrom-Bett aus den Augen. Nur Rubikons Quelle ist noch zu finden, nach einem strammen Fußmarsch vom Melonenpass aus. Ein paar unscheinbare Steine umrahmen den plätschernden Ursprung des caesarischen Bächleins - mitten im Wald an einem Grillplatz. „Hier feiern wir jedes Jahr das Quell-Fest mit vielen Gemeinden aus der Region“, erzählt Rino Zoffoli. Savignano und Santarcangelo sind übrigens nicht eingeladen.

Infos zu Emilia-Romagna

Emilia-Romagna


Anreise

Ab Mai gibt es wieder Flüge mit Airberlin von Stuttgart nach Rimini, www.airberlin.com , sonst ab Frankfurt oder München.
Von Rimini aus fährt man mit dem Auto eine halbe Stunde zu den Rubikon-Dörfern.


Übernachten

Agritourismo „La Concia“ ist ein wunderschön gelegenes Landgut mit Pool. DZ ab 60 Euro mit Frühstück, www.agriturismolaconcia.it/de
Günstiger wohnt man im Hotel della Porta, Santarcangelo, DZ ab 85 Euro, www.hoteldellaporta.com


Essen und Trinken

La Sangiovesa ist das gefragteste Restaurant in Santarcangelo mit stilvoll eingerichteten Räumen und erlesener Speisekarte, für abends unbedingt Tisch vorbestellen: www.sangiovesa.it


Allgemeine Informationen

Deutschsprachige Touren durch die Rubicone-Dörfer und das Adria-Hinterland bietet z. B. Helga Schenk. Gruppen bis 25 Personen pro Stunde 30 Euro, exkl. Eintrittsgelder für Museen etc.
Mail: hschenk@helgaschenk.eu