Wie italienische Patres und Nonnen sowohl Spendengelder als auch staatliche Mittel veruntreuen. Und warum verheimlicht ein Kardinal dem Papst 30 Millionen Euro? Ein Stück über finanzielle Verstrickungen der besonderen Art.

Rom - Es braucht schon einen ganz speziellen geistlichen Humor, um eine Klinik für Hautkrankheiten nach der „Unbefleckten Jungfrau Maria“ zu benennen. „Söhne der Immacolata“ nennt sich auch die Ordensgemeinschaft, die das fachlich hoch renommierte „IDI“ in Rom seit mehr als einem Jahrhundert betreibt. Doch unbefleckt stehen die Brüder von heute nicht da. Ganz im Gegenteil: die Oberen sind mit der Kasse durchgebrannt. Der IDI-Chef selbst, Pater Franco Decaminada, hat ein Luxus-Landhaus in der Toskana erworben, privat natürlich, dazu kamen etliche nicht ganz billige Autos, Bargeldabhebungen von 82 Millionen Euro und verschwiegene Konten in Panama, in Liechtenstein, auf der Isle of Man . . .

 

Jedenfalls haben die „Söhne der Unbefleckten Empfängnis“ ihr Haus unter einem Schuldenberg von etwa einer Milliarde Euro begraben;   144 Punkte umfasst die Anklage, die demnächst beim Prozess gegen 40 Geistliche und Komplizen verlesen wird. Und hätte nicht der Vatikan an die 150 Millionen Euro lockergemacht für eine Insolvenzregelung mit dem staatlichen Gesundheitssystem – das IDI mit seinen insgesamt fünf Spitälern und 1334 Beschäftigten gäbe es seit diesem Frühjahr nicht mehr. Gleichzeitig erregt ein ähnlicher Fall in Apulien Aufregung. Dort sollen die Schwestern von der Göttlichen Vorsehung ihre – wie sie selbst – nach der „Divina Provvidenza“ benannte Großklinik systematisch ausgenommen haben – während die 1600 Beschäftigten (wie im IDI) teils monatelang auf ihr Gehalt und die Lieferanten auf Bezahlung ihrer Rechnungen zu warten hatten. Auch Millionen an Steuerschulden sollen die Schwestern angehäuft haben – bis dann ein rechtskonservativer Parlamentsabgeordneter aus der Region die Sache auf seine Weise in die Hand nahm: Klientelpolitik betreibend, unsinnige Stellen schaffend für Freunde und Freundinnen und Freunde von Freunden – und ins nationale Haushaltsgesetz einen Passus schmuggelnd, nach dem die Klinik der Göttlichen Vorsehung bis Ende 2015 von allen Steuerzahlungen befreit ist.

„Ruhe, sonst piss’ ich euch in den Mund“, soll dieser Senator, Antonio Azzollini, den Nonnen gesagt haben. Derzeit berät das Parlament über die Aufhebung seiner Immunität. In die Machenschaften verwickelt könnten laut apulischer Staatsanwaltschaft auch hohe Vatikanprälaten sein, und derzeit bereitet wieder mal ein Telefonprotokoll Aufregung in Italien. Belauscht hatten die Carabinieri ein Gespräch zwischen Kardinal Giovanni Versaldi, zur Tatzeit Chef der Vatikanischen Wirtschaftspräfektur, und dem Manager des ebenfalls vatikanischen Kinderklinikums Bambino Gesù in Rom. „Heute Abend sind wir beide (in Sachen IDI, Anm. d. Red.) beim Papst“, teilte Versaldi dem Manager mit: „Aber du darfst ihm nichts sagen von diesen 30 Millionen da . . .“

Kontrollsysteme zu schwach

Seither kreist der Verdacht, der Kardinal habe von den regulären staatlichen Zahlungen fürs Bambino Gesù dreißig Millionen Euro abzweigen wollen, um unter Patronage des Vatikans das IDI in die Eigentümerschaft jenes Ordens zurückzukaufen, der die Klinik in den betrügerischen Bankrott getrieben hat. Versaldi dementiert entschieden: Es habe sich lediglich darum gehandelt, Papst Franziskus am fraglichen Abend nicht mit „technischen Details“ zu überlasten, die damals im Einzelnen noch keiner verstanden habe. Fakt ist aber auch, dass die Hautklinik IDI dieses Frühjahr mit Genehmigung des Gesundheitsministeriums an eine vatikanische   Stiftung verkauft worden ist, der Kardinal Versaldi vorsitzt – und in welcher der Orden der „Unbefleckten“ massiv vertreten ist. Gleichzeitig haben zwei andere, noch viel größere Orden der katholischen Kirche aufgrund eigener miserabler Finanzverwaltung den Notstand ausgerufen: Der Erzieherorden der Salesianer hat sich beim Antreten einer großzügigen Erbschaft von dubiosen Finanzmaklern derart übers Ohr hauen lassen, dass die Pfändung des römischen Mutterhauses und der Bankrott des gesamten Ordens drohte – ausgestanden ist die Sache noch immer nicht. Franziskanergeneral Michael Perry wiederum musste im Dezember 2014 einen Brandbrief an die Mitbrüder in aller Welt schicken, demzufolge sich „die Ordensleitung in großen, ich unterstreiche: großen finanziellen Schwierigkeiten“ befinde; schuld seien „eigenmächtige“ Geschäfte ausgerechnet des obersten Ordensökonoms „und anderer, nicht franziskanischer Personen“ bei der Einrichtung eines Luxushotels mitten in Rom. „Unsere Überwachungs- und Kontrollsysteme waren allzu schwach“, so Perry.

Um Einsichten dieser Art drückt sich auch die katholische Kirche Italiens als solche nicht länger herum. Nunzio Galantino, der von Franziskus eingesetzte Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, gab unlängst bekannt, dass die steuerbegünstigten Spenden der Italiener an seine Kirche im letzten Jahr wieder einmal um fünf Prozent zurückgegangen seien; zweitens neigten immer weniger Landsleute dazu, die acht Promille ihrer Einkommensteuer, deren Empfänger – Staat oder diverse Religionsgemeinschaften – sie frei bestimmen können, der katholischen Kirche zu überlassen. Beides zusammen macht ein Minus von 60 Millionen Euro bei den Einnahmen. „Seien wir ehrlich“, sagt Bischof Galantino: „Das System ist gescheitert.“ Er findet die Schuld bei der Kirche selbst: im Mangel an „Transparenz, Strenge und Respekt gegenüber den Gläubigen“ bei der Verwaltung des gespendeten Geldes.

In einem Punkt aber gibt’s einen gewichtigen Fortschritt: Nach Angaben der apulischen Staatsanwaltschaft sind die Untersuchungen zur „Klinik der Göttlichen Vorsehung“ der erste Fall, in denen die Vatikanbank IOR mit den italienischen Ermittlern zusammengearbeitet und die geheimen Konten der Nonnen offengelegt hat: „Sonst wären wir nie so weit gekommen“, sagt ein Staatsanwalt.