Technik verdrängt Klassik: Das Unternehmen Bialetti zieht die Fertigung seiner "Moka Express" aus Italien ab.

Rom - George Clooney ist schuld. Sagen sie. Da kauft sich Hollywoods Schönster aus lauter Liebe zu Italien eine Villa am Comer See, da angelt er sich eine italienische Schauspielerin - und dann ruiniert er bestes italienisches Kulturgut. George Clooney macht Werbung für eine Maschine, die Kaffee aus Kapseln brüht. Und weil das - oder besser gesagt Clooney - bei den italienischen Hausfrauen so exzellent ankommt, haben andere Arten der Kaffeebraukunst keine Chance mehr. Die klinisch reinen Espresso-Vollautomaten von heute fegen vor allem die klassische italienische Kaffeemaschine vom Markt: die weltberühmte, aluminiumsilbrige, achteckige Kanne namens "Moka Express". Weil deren Verkaufszahlen um gut 30 Prozent eingebrochen sind, zieht der Hersteller Bialetti die Fertigung nun nach Rumänien ab.

Der Aufschrei in Italiens Medien gilt in diesem Fall weniger den 132 Moka-Beschäftigten; den meisten von ihnen verspricht die Bialetti-Gruppe andere Jobs in der Herstellung von Töpfen, Pfannen oder kleinen Haushaltsgeräten. Die Zeitungen betrauern, dass Italien eines seiner Weltmarkenzeichen, ein unverwechselbares Stück italienischen Art-Deca|2-Designs außer Landes gibt und damit verliert. Das Schicksal der Moka wird zum Inbegriff der vielbeschworenen "Krise des ,made in Italy"' - mit anderen Worten: zum Teil der kollektiven Identitätskrise im Stiefelstaat.

Die Moka ist ein Stück Italien


Die Moka ist in der nationalen und internationalen Vorstellung so sehr mit Italien verbunden, dass eine Zeit vor ihr schlechterdings nicht denkbar erscheint. Und doch wurde der technisch ebenso einfache wie geniale Aluminiumapparat erst im Jahr 1933 von dem Piemontesen Alfonso Bialetti erfunden (oder gedanklich aus Frankreich mitgebracht). Auf Vermarktung indes verstand der Metallingenieur sich nicht wirklich, und so begann die Moka ihren großen Siegeszug erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter Alfonsos Sohn Renato. Heute steht das Kännchen in diversen normierten Größen in 90 Prozent aller italienischen Haushalte.

Doch in den vergangenen Jahren hat die Moka immer mehr Konkurrenz bekommen von zehneckigen Billigimitaten aus China. Dem chinesischen Preis konnte Bialetti mit seinen italienischen Produktionskosten nicht standhalten. So sagt es Generaldirektor Giuseppe Servidori. Die linke Metallarbeitergewerkschaft Fiom indes hält dagegen, Bialetti sei gut im Geschäft, von einer Krise könne keine Rede sein, der Konzern habe nur einen Vorwand zur Auslagerung gesucht.

Geschlossen wird das Moka-Werk in Omegna. Das ist eine Kleinstadt am malerischen Ortasee, etwas westlich vom Lago Maggiore. Am selben Ort liegt und produziert auch die für ihr unkonventionelles Design bekannte Firma Alessi; und dort siedelten sich in der Vergangenheit andere Konzerne für Haushaltsartikel wie Lagostina oder Ruffoni an. Die Preiskonkurrenz aus Fernost macht auch ihnen schwer zu schaffen. Konzernchef Alberto Alessi zum Beispiel sieht schwarz für den "Haushaltsdistrikt Omegna": "Dessen Auslöschung ist praktisch schon entschieden. Über kurz oder lang fallen alle." Das sagt einer, fügt Alessi in der Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" hinzu, "der sich selbst verpflichtet hat, einen Teil der Produktion am Ort zu halten, koste es, was es wolle". Zum einen sei Produktion ja auch Voraussetzung für Kreativität, zum anderen müsse er Arbeit für 500 Familien garantieren, sagt Alessi gegenüber der Wirtschaftszeitung.

Östliche Preiskonkurrenz ist für viele Firmen schwierig


Lagostina hingegen sieht die Zukunft weniger düster. Generaldirektor Edouard De Vulpian sagt, man setze im weltweiten Export auf das "Image des ,made in Italy"' und behalte gegenüber der Billigkonkurrenz aus Fernost "ebenso das Hochpreis- und Hochqualitätssegment wie Forschung und Entwicklung in den eigenen Händen". Und doch: auch bei Lagostina sind derzeit 40 von 180 Beschäftigten in Kurzarbeit.

Was Bialetti und die Moka betrifft, so ist der Niedergang nur die eine Seite der Medaille. Nur siebzig Kilometer von Omegna entfernt betreibt der Kaffeekonzern Lavazza inzwischen die angeblich weltgrößte Fabrik für Kaffeepads. Gehen bei der Moka 132 Jobs verloren, so bietet Lavazza inzwischen 450 neue Arbeitsplätze an, Tendenz steigend. Ausgerechnet im Krisenjahr 2009 ist die Nachfrage explodiert, so dass inzwischen auch sonntags gearbeitet wird. George Clooney mag zwar Werbung für den Schweizer Konzern Nestlé machen, vom Run auf die Kaffeekapseln aber profitiert auch das Espresso- und Cappuccino-süchtige Italien.