Giacometti-Statuen, Warhol-Gemälde, Dinosaurierzähne und Bodenmosaike – das Lager der Spezialeinheit der Carabinieri in Rom, die das italienische Kulturerbe schützt, ist eine Mischung aus Museum und Trödelladen. 2016 hat die Einheit geklaute Werke im Wert von 53 Millionen Euro aufgespürt.

Rom - Vor dem Pantheon in Rom spannt ein riesiger Drache bedrohlich seine Flügel, die Zunge ragt zum Angriff bereit aus seinem Mund. Das antike Bauwerk im Herzen der Italienischen Hauptstadt, das schon immer als Kunstkammer genutzt wurde, ist das Symbol für Italiens kulturelles Erbe. Unter anderem findet sich hier das Grab Raffaels. Auf dem goldenen Logo der „Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale“ (CTPC) wacht der Drache, die mythische Schutzfigur, vor dem Pantheon über die Schätze des Landes.

 

Wie ein Drache wirkt Fabrizio Parrulli, der Commandate dieser Spezialeinheit der italienischen Carabinieri, nicht gerade. Aber beschützen kann er. Die Carabinieri-Dienststelle zum Schutz des Kulturgutes wurde in Italien bereits 1969 gegründet, ein Jahr bevor die Unesco alle Mitgliedsstaaten aufforderte, spezielle Dienste zum Schutz des kulturellen Erbes ihrer Nationen einzuführen. Die Italiener gelten weltweit als Experten, was das Aufspüren von gestohlenen Kulturgütern und die Beobachtung des illegalen Kulturhandels angeht. Parrulli leitet die CTPC seit einem Jahr.

„Unter den 300 Carabinieri, die in 15 Einheiten im ganzen Land arbeiten, bringen viele eine Ausbildung mit, die für diese Arbeit wichtig ist, zum Beispiel haben wir hier viele Kunsthistoriker oder Archäologen“, sagt Parrulli, der selbst Jura studiert hat. Was aber alle eine, sei die große Leidenschaft für die Kunstwerke, um die es hier geht.

2016 haben die Carabinieri Werke im Wert von 53 Millionen Euro aufgestöbert

In dem riesigen Lager der Carabinieri im römischen Stadtteil Trastevere stehen sie: Giacometti-Statuen, Warhol-Gemälde, Dinosaurierzähne und Bodenmosaike. Eine Mischung aus Museum und Trödelladen, auch beschlagnahmte Fälschungen werden hier aufbewahrt.

„Im vergangenen Jahr haben wir Werke im Gesamtwert von mehr als 53 Millionen Euro aufgestöbert“, sagt Parrulli. Um den wirtschaftlichen Wert dieser Funde gehe es aber im Grunde nicht. Er gibt ein Beispiel: 17 Gemälde, darunter „Die Wachtel-Madonna“ von Antonio Pisanello, „Die Heilige Familie mit der Heiligen Elisabeth“ von Andrea Mantegna und „Die Dame von Licnidi“ von Peter Paul Rubens, waren im November 2015 bei einem spektakulären Raub aus dem Castelvecchio di Verona gestohlen worden. Im Dezember 2016 konnten sie in Kiew aufgespürt und wieder nach Italien gebracht werden. „Das bedeutet für uns, diese einzigartigen Stücke wieder der Allgemeinheit zurückzugeben, in diesem Fall den Bürgern von Verona“, so Parrulli.

Eine gestohlene Büste des Kaisers Tiberius wurde in New York entdeckt

Und auch auf den jüngsten großen Erfolg seiner Arbeit ist Parrulli stolz. Am 19. Januar traf die Büste des Kaiser Tiberius, von 14 bis 37 nach Christus Herrscher über das Römische Reich, wieder in Rom ein. Sein in Marmor geschlagenes Abbild war während des Zweiten Weltkrieges aus einem Museum in Minturno entwendet worden – entdeckt wurde es in New York. „In diesem Fall hatten wir Glück, dass uns ein Experte einen Hinweis gegeben hat, dass es da ein Werk gibt, das große Ähnlichkeit mit dem von uns gesuchten hat“, sagt Parrulli. Und dank der Kooperation mit der amerikanischen Zollbehörde konnte ein Verkauf unterbunden und das Objekt beschlagnahmt werden.

Doch der Commandante blickt eher optimistisch in die Zukunft. „Der schönste Fund ist immer der, den wir morgen machen“, sagt er. Das Herz der Arbeit der Carabinieri ist eine Datenbank, in der mehr als 1.200.000 Werke gelistet sind. Die tägliche Arbeit besteht vor allem darin, die Online-Märkte, auch die im Darknet, nach möglichen illegalen Kaufangeboten zu durchforsten.

Eine spezielle Einsatztruppe ist im Erdbebengebiet unterwegs

60 Carabinieri sind außerdem Teil einer speziell ausgebildeten Einsatztruppe unter der Aufsicht der Unesco. Die „Kultur-Blauhelme“, wie sie auch genannt werden, sollen in Krisengebieten oder nach Naturkatastrophen für den Schutz von Kulturgütern sorgen. Die Truppe ist seit dem 24. August in den italienischen Erdbebenregionen in Lazio, Umbrien und den Marken im Einsatz. „Mehr als 18000 Werke haben wir in den zerstörten Orten aus Kirchen, Museen und Privathäusern gerettet“, so Parrulli. Noch immer sind jeden Tag ein oder zwei Teams vor Ort.

Ihm gehe es nicht nur um die großen Funde, sagt Parrulli noch. „Es ist so wichtig, auch die ganz kleinen Dinge zu respektieren. Nur dann haben wir auch den richtigen Sinn für das Ganze.“ Der Ausgrabungspark Ostia Antica hat eines der schönsten Bodenmosaike der Welt. Es besteht etwa aus 500.000 kleinen Teilen. Genau so viele Menschen kommen jedes Jahr nach Ostia und schauen sich die Ausgrabungen an. „Wenn nun jeder denkt, ich nehme mal ein kleines Stück als Andenken mit nach Hause, wäre nach einem Jahr das Mosaik komplett verschwunden“, so Parrulli. „Und dieses kleine Stück Marmor hat mein Vater schon gesehen und mein Großvater und mein Urgroßvater. Dieses Stück Marmor ist ein Teil von uns allen.“