Männer morden, Männer dealen mit Drogen, Männer verwalten Finanzen: Ist die Mafia tatsächlich ausschließlich männlich?

Berlin - "Bei unserer letzten Konferenz hatten wir einen Bundestagsabgeordneten hier, der sich danach für ein Gesetz eingesetzt hat. Es erlaubt jetzt, Güter der Mafia auch in Deutschland zu konfiszieren", sagt Laura Garavini. An diesem Abend drängen sich gut 120 Zuhörer in einem Vorlesungsraum der Berliner Humboldt-Universität. Laura Garavini sitzt für den Partito Democratico im italienischen Parlament und ist dort auch in der Antimafia-Kommission aktiv. Sie lebt aber in Berlin, denn im Parlament in Rom sind mehrere Plätze für sogenannte Auslandsabgeordnete reserviert.

Seit drei Jahren organisiert der Berliner Verein "Mafia? Nein Danke!" Diskussionsveranstaltungen zur organisierten Kriminalität. Die Abende sind immer gut besucht, doch es ist nicht leicht, die Realität zu verändern, zumal dieses Mal nicht: Es geht nämlich um das männliche Wesen der Mafia, und das ist tief verwurzelt.

Traditionell haben Frauen in der sizilianischen Cosa Nostra nichts zu sagen. Sie sollen die Kinder erziehen, geschlechtsspezifisch natürlich, was die wissenschaftliche Umschreibung für das Weitergeben der gängigen Rollenbilder ist: der starke Mann und die Frau für die Küche, die Kinder und die Kirche. Und die Mütter sollen den Kindern die Mafiawerte vermitteln. "Die Frau ist eine Zuarbeiterin der Mafia", sagt Olivia Liebert, eine Erziehungswissenschaftlerin, die auf Sizilien gelebt hat, "männliche Kinder sind auch heute mehr wert als weibliche". Doch selbst auf dem archaischen Sizilien ändern sich die Zeiten, selbst in der Männergesellschaft Mafia.

Frauen übernehmen wichtige Aufgaben


Inzwischen übernähmen Frauen innerhalb der Clans häufig wichtige Aufgaben, berichtet die Autorin Ombretta Ingrascì. "Ich beobachte jetzt, dass sich nach dem Stereotyp der Frau, die in der Mafia keine Rolle spielt, ein neuer etabliert: nämlich der ,Donna Boss', die sich um Strategien kümmert", sagt Ingrascì. Doch Frauen, betont sie, würden dem Reglement der Mafia zufolge nie formal aufgenommen, und Boss dürften sie erst recht nicht werden. Die römische Historikerin hat für ihre Recherchen Gesprächsprotokolle von Vernehmungen von Mafiaaussteigern und Kronzeugen ausgewertet. Dabei kam heraus, dass Frauen dennoch häufig wichtige Rollen spielen.

So wie Giuseppina Nappa, die Frau des Bosses Francesco "Sandokan" Schiavone vom Clan der Casalesi, die sich dafür verantworten muss, monatliche Versorgungszahlungen des Clans für die Angehörigen Inhaftierter angenommen zu haben. Und so wie Cinzia Lipari, die Tochter eines Bosses und eine Rechtsanwältin. Sie verwaltete das Vermögen des Cosa-Nostra-Bosses Bernardo Provenzano, bis sie 2002 verhaftet wurde. Seit Ende der 1970er Jahre, sagt Ombretta Ingrascì, würden Frauen zunehmend kriminell.

Mehrere Veränderungen hatten dazu geführt: Zum einen stiegen die Clans verstärkt in den internationalen Drogenhandel ein, was zur Folge hatte, dass das Geld aus diesen schmutzigen Geschäften gewaschen werden musste. Zugleich stieg auch der Fahndungsdruck, den Polizisten in Sizilien aufbauten. Die Zahl der Verhaftungen wuchs und damit auch die Notwendigkeit, Führungspersonen zu ersetzen. Damit war die Stunde der Frauen gekommen. Sie galten lange Zeit als unverdächtig und wirkten daher als Scharnier zwischen der legalen Welt und den Männern, die in der illegale Welt agierten - sei es im Untergrund oder im Gefängnis.

"Es gibt keine Gleichstellung im Inneren der Mafia"


Die Frauen sind aber nur Platzhalter der Männer. Kommt der Boss wieder aus dem Gefängnis frei, müssen sie die Macht wieder abgeben. "Ich kenne keinen Fall, indem eine Frau dagegen rebelliert hätte", sagt Ombretta Ingrascì. Und sie berichtet von dem Fall einer Mafiosa, die Millionen investiert hat, oft auf Dienstreisen ging und eine Liebesbeziehung mit einem syrischen Arzt in Nizza hatte - die also eigentlich eine emanzipierte Frau war. Doch ihre männlichen Verwandten hätten sie gezwungen, diese Beziehung aufzugeben. "Man kann im Inneren der Mafia nicht von Gleichstellung sprechen", resümiert Ingrascì, "es ist ein Prozess der Pseudo-Emanzipation."

"Mafia ist ein weibliches Wort, aber Frauen spielen darin keine große Rolle", sagt schließlich auch Laura Garavini. Allerdings sei die Bedeutung der Frau je nach Art der mafiösen Organisation sehr unterschiedlich. Da die Unterschiede zwischen den einzelnen Organisationen groß sind, sprechen Italiener meist von "Mafien" und nicht von der Mafia: So haben in der recht archaischen, sizilianischen Cosa Nostra Frauen deutlich weniger zu sagen als etwa in der moderner organisierten 'Ndrangheta, die ihre Basis in Kalabrien hat.

Die 'Ndrangheta ist es auch, die etwa für das Massaker in Duisburg im Sommer 2007 verantwortlich ist. "Es wird kaum wahrgenommen, dass dabei auch Frauen eine Rolle gespielt haben", sagt Laura Garavini. Unter den zahlreichen Festgenommenen in dieser Sache waren einige Frauen, immerhin gut ein Dutzend.