Italiens Regierungschef Matteo Renzi will die Verschuldung seines Landes höher treiben. Als Gründe nennt er die Flüchtlinge und das Erdbeben.

Rom - Sehr großzügig sei das bemessen. So die diplomatische Bezeichnung aus EU-Kreisen für das, was der italienische Premierminister Matteo Renzi in seinem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr plant. Vor allem im Bezug auf die Summen, die Renzi für die Versorgung von Flüchtlingen und für den Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben am 24. August einplant. Diese sollen nicht in die Berechnung des italienischen Haushaltsdefizits mit hineingereichte werden. Im Rahmen der Flexibilität.

 

Mehrausgaben für Flüchtlinge

Darin ist man sich im Prinzip einig. Doch die Höhe der Summe stößt in Brüssel dann doch so manchem unangenehm auf. Die Rüge ist quasi vorprogrammiert. Dabei zeigte sich die EU-Kommission bereits bereit, für die Mehrausgaben durch die Flüchtlinge – 146 525 sind bis zum vergangenen Freitag in diesem Jahr in Italien über das Mittelmeer angekommen – in der selben Höhe wie auch schon 2016 nicht in der Berechnung der Defizits Italiens zu berücksichtigen.

Auch die Kosten für den Wiederaufbau der Erdbeben-Region rund um Amatrice und Accumoli könne rausgerechnet werden, heißt es. Allerdings nicht die von Renzi geforderten Ausgaben, um sein gesamtes Land für die Zukunft erdbebensicherer zu machen. Ein weiterer Punkt: Auf Renzis Hauhalts-Plan steht neben dieser außergewöhnlichen Belastungen auch noch das eine oder andere Geschenk an seine Bürger. Italien plant für 2017 mit einem Haushaltsdefizit von 2,3 Prozent der Wirtschaftleistung des Landes. Bis vor wenigen Wochen war noch die Rede von 2 Prozent. Anfang des Jahres war mit der EU noch ein Defizit von 1,8 Prozent verhandelt worden. Erlaubt sind eigentlich bis zu 3 Prozent.

Für die Flüchtlingsversorgung sind 3,8 Milliarden Euro vorgesehen, für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben 4,5 Milliarden Euro. Mehrausgaben sind auch für Schulen, Pensionen und das Gesundheitswesen geplant. Renzi erwartet die Rüge aus Brüssel jedoch gelassen. Das Haushaltsgesetz werde nicht geändert, betont er in den Medien. „Wogegen will Brüssel denn Einspruch einlegen“, fragt Renzi. „Geld für Amatrice? Geld für Schulen? Zwei Milliarden mehr für Gesundheitsversorgung?“ Die EU solle stattdessen lieber die Osteuropäischen Staaten dafür strafen, dass sie sich noch immer gegen eine faire Verteilung von Flüchtlingen in der EU stellen.

Der neue Haushalt heißt Manöver

Das klingt wie Wahlkampf. Ist es auch. Das Manöver, so wird der neue Haushalt genannt. Und das ist die öffentlichkeitswirksame Debatte und das Hin und Her mit der EU tatsächlich. Allerdings kein finanzpolitisches. Renzi poltert derzeit mächtig gegen die Bürokratie in Brüssel - und verteilt im neuen Haushalt Geschenke an sein Volk. Alles mit Blick auf den 4. Dezember, der zum Schicksalstag für seine Regierung deklariert wurde. An diesem Tag stimmen die Italiener in einem Referendum über die Änderung ihrer Verfassung ab, die den Politikbetrieb Italiens vereinfachen soll. „Die Mutter aller Reformen“, wie Renzi sie nennt.

Am Ausgang des Referendums hängt auch die politische Zukunft Renzis. Scheitert er, drohen Neuwahlen und ein Sieg der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung. Da hilft es Renzi, die Belange Italiens lautstark gegen die Bürokratie aus Brüssel zu verteidigen. Und er weiß: Auch in Brüssel schaut man mit Spannung auf den 4. Dezember. Instabile Verhältnisse in Rom würden die ohnehin schon krisengeschüttelte EU weiter destabilisieren. Mit viel Widerstand rechnet Renzi daher nicht. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kommentar-zum-merkel-renzi-und- hollande-drei-auf-einem-boot.694ac230-9e7d-414c-9948-9abcf1247257