Darf eine Eigentümergemeinschaft auf einem bereits bebauten Gelände in Stuttgart-Kaltental ein neues Haus bauen oder nicht? Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim will Ende der nächsten Woche sein Urteil in diesem Rechtsstreit fällen.

Stuttgart - Es ist ein verzwickter Fall, über den der Achte Senat des Mannheimer Verwaltungsgerichtshofs (VGH) zu urteilen hat. Vordergründig geht es zwar nur um einen geplanten Neubau an der Böblinger Straße 361 in Stuttgart-Kaltental, aber die Klage einer Eigentümergemeinschaft gegen die Stadt hat viele Facetten. Bei der Verhandlung am Donnerstagnachmittag äußerten die Richter Zweifel daran, ob das Bauverbot aus der Nazizeit rechtens ist.

 

Vor allem die Tatsache, dass es einen Bebauungsplan aus dem Jahr 1929 gibt, der ein Baufenster vorsieht, während dieses im 1935-Plan fehlt, sah das Gericht als problematisch an. Zumal dies auch nirgends begründet wird. Martin Leidig, der Rechtsvertreter der Stadt, verwies zwar auf einen „Amtsblatt“-Text aus dem Jahr 1934 zur neuen Ortsbausatzung, in der aus „volksgesundheitlichen Gründen“ die Schaffung von zusätzlichen Grünflächen angeraten wird. Das überzeugte aber den Achten Senat nicht. „Warum hält die Stadt an dem Bauverbot fest, wenn es doch keinen Grund dafür gibt“, fragte Karsten Harms, der Vorsitzende Richter des Achten Senats.Thomas Schönfeld, der Anwalt der Eigentümergemeinschaft, verwies darauf, dass dies auch „niemals entschädigungslos“ vonstattengehen könne. Die Richter sahen daher keine gewichtigen Belange für ein komplettes Bauverbot. Ergo sei damit auch die Überleitung in das Baugesetzbuch (BGB) im Jahr 1961 nicht wirksam gewesen und daher der Bebauungsplan ungültig.

Das große Aber ist eine Vorschrift aus dem Jahr 1986

Dem folgte jedoch das große Aber des Vorsitzenden Richters Harms, auf das Leidig gleich zu Beginn der Verhandlung hingewiesen hatte: Im Jahr 1986 sei eine Vorschrift erlassen worden. Sie sieht vor, dass Fehler in Bebauungsplänen, deren Mängel nicht bis zum Jahr 1994 gemeldet wurden, nicht mehr angefochten werden können.

Das Bundesverwaltungsgericht hat konstatiert, dass nach dem Willen des Gesetzgebers diese Generalbereinigung auch auf Pläne vor dem Erlass des BGB im Jahr 1961 anzuwenden sei. „Weitere Entscheidungen sind mir aber nicht bekannt“, sagte Harms. Schönfeld brachte das Dilemma nach der Verhandlung auf den Punkt: „Das hieß, ein unwirksam übergeleiteter Bebauungsplan wäre 1994 wie Phönix aus der Asche gestiegen und gültig geworden.“ Der Vorsitzende Richter ließ durchblicken, dass dieser Fall der Anlass sein könnte, diese Vorgehensweise zu überdenken.Schönfeld hatte zudem kritisiert, dass der Gemeinderat nicht über den 1935er Plan beraten hatte. Laut Deutscher Gemeindeordnung aus dem Jahr 1935 hatte damals zwar der OB das Sagen, zugleich, so Schönfelds Argumentation, habe aber noch die Württembergische Bauordnung gegolten. Diese sieht vor, dass die Gemeinderäte Bebauungspläne beschließen. Während Leidig erklärte, dass damals die Räte keine demokratische Legitimation mehr hatten, sprach Schönfeld von einem „handwerklichen Fehler, wie er in Diktaturen vorkommt“. Das Urteil wurde für den 6. Februar angekündigt.