Ingo Zirngibl gestaltet mit seiner Cannstatter Firma „Jangled Nerves“ die Ausstellung des neuen Stadtmuseums im Wilhelmspalais. Im Oktober erfolgte die Grundsteinlegung. Ein Porträt für unseren Jahresrückblick 12 aus 15.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Seine Kinder mögen den Beruf von Ingo Zirngibl nicht besonders, das gesteht der Papa freimütig. Denn Zirngibl gestaltet als einer von zwei Geschäftsführern bei „Jangled Nerves“ Museen, Ausstellungen, Messen – und deshalb ergreift er selbst im Urlaub jede Möglichkeit, sich Geschichts- und Kunstmuseen von innen anzuschauen – zum Verdruss der Sprößlinge. Museen sind doch oft so langweilig.

 

Sind sie das? Ingo Zirngibl und die mittlerweile 45 Kollegen bei „Jangled Nerves“ (was soviel wie „Nerven unter Anspannung“ bedeutet) verwenden großen Ehrgeiz darauf, gerade Kindern einen lebendigen Zugang zu einem Museum zu vermitteln: „Wir wollen die Schaulust wecken“, sagt der 50-jährige gebürtige Regensburger, der sich nach fast 30 Jahren in Stuttgart aber für integriert hält. Für Lascaux, eine Höhle mit steinzeitlichen Malereien, hat Zirngibl eine digitale Taschenlampe entwickelt: Sie leuchtet die Höhle nicht nur aus, sondern wirft auch Texte und Fotos an die Wand. Oder in der Zeche Zollverein in Essen – dort stehen halb verrostete Maschinen, die für sich wirken; wer will, kann aber Grafiken und Filme auf ihre Körper werfen oder unter Soundduschen der guten alten Zeit nachlauschen. Ingo Zirngibl will Geschichten erzählen und Objekte lebendig machen.

Ein Stadtmuseum nicht nur für die junge Klientel

Nun also gestaltet er mit einem Team von Architekten, Designern, Regisseuren und Mediengestaltern das Stadtmuseum in Stuttgart, das im Oktober Richtfest gefeiert hat und im Herbst 2017 eröffnen soll. Wichtig ist dem Team, im Wilhelmspalais nicht nur die junge Klientel einzufangen – jeder müsse auf seine Weise durch das Stadtmuseum gehen können und am Ende zufrieden sein. Insofern werde es möglich sein, auch völlig ohne „medialen Zirkus“ durch die Ausstellung zu spazieren – an den Objekten werden immer noch Texttafeln hängen. Aber es geht eben auch komplett anders, mit Mediaguide und Smartphone. Wer will, kann mit einer App in die Stadt wandern und die „Objekte“ live besichtigen. Schließlich ist das Stadtmuseum nur eine Interpretation der Stadt – draußen ist die Wirklichkeit.

Zirngibl übt sich noch etwas in Geheimniskrämerei, die Stuttgarter sollen gespannt bleiben auf ihr neues Museum. Aber eines verrät er schon: An zwei Orten im Wilhelmspalais werden sich die Besucher mit der Gestalt und dem Geist der Stadt auseinandersetzen können; es wird Regale voller Gegenstände geben, die mit 3-D-Druckern hergestellt wurden. Jeder kann ein Objekt nehmen und auf einen interaktiven Tisch stellen; dort beginnen die Gegenstände zu sprechen, von Magnetzündern und Pietismus, von Hegel und Motoren.

Im Foyer soll ein großes Modell der Stadt stehen

Das komplexeste Objekt ist übrigens seit langem bekannt: Im Foyer wird ein großes Modell der Stadt stehen, auf dessen Oberfläche Fakten wie Einwohnerentwicklung, Frischluftschneisen oder Feinstaubstärke projiziert werden. Technisch und inhaltlich musste „Jangled Nerves“ das gesamte Modell erfinden. Das Ziel aller Wissensvermittlung und aller medialen Kreativität steht bereits fest: „Die Stuttgarter sollen am Ende stolz sein können auf ihre Stadt.“

Ingo Zirngibl und sein Kollege in der Geschäftsführung, Thomas Hundt, sind beide Architekten, die keine Lust hatten, in einem klassischen Büro zu arbeiten – so gründeten sie 1998 ihre Firma. Sie machen heute Messeauftritte für Daimler, aber auch Kulturprojekte für das Museum der bayerischen Geschichte in Regensburg, die, wie beim Stadtmuseum, über viele Jahre hinweg erarbeitet werden. Die Mischung aus Kultur- und Industrieprojekten sei befruchtend: So bekämen sie Trends schnell mit und verwendeten sie auch in den Museen.

Für das Stuttgarter Stadtmuseum hat sich das Team besonders ins Zeug gelegt. Schließlich sitzt „Jangled Nerves“ in Stuttgart, genauer gesagt in einer schönen, alten Fabrik aus Backsteinen in Bad Cannstatt; es sei ihnen wichtig gewesen, den Auftrag in der Heimatstadt zu erhalten, sagt Zirngibl. Und für den Chef gibt es noch einen weiteren Grund, sich anzustrengen: Im Stadtmuseum werde später die „Kontrollklientel“ aus den Nachbarn und vor allem aus den eigenen Kindern bestehen. „Wenn da Kritik kommt, tut’s besonders weh“, sagt Ingo Zirngibl. Jetzt kommt’s drauf an: Er muss er den eigenen Kindern beweisen, dass Museen nicht langweilig sind.