Die Luft zum Atmen ist für das Leben notwendig. Sie kann aber auch krank machen. Feinstaub beunruhigt nicht nur Ärzte – auch Stuttgarts Image leidet darunter. Der Blogger Patrick Mikolaj hat aus dem Dilemma eine amüsante Luftnummer gemacht.

Stuttgart - Was so klein ist, ist kaum zu fassen. Die winzigen Feinstaubpartikel der Stuttgarter Luft überlisten die Körperabwehr, auch wenn diese zum Rausputzen Schleim auffährt. Die gefährlichen Teilchen können tief eindringen und im Inneren der Menschen bei wiederholter Belastung großen Schaden anrichten.

 

Genügend Wissen darüber besitzt der Buchautor Patrick Mikolaj, mit über 38 000 Facebook-Fans einer der meistgelesenen Blogger der Stadt. Vor vier Jahren hat der Einzelhandelskaufmann das Unnütze Stuttgartwissen erfunden und damit einen Hype um Heimatliebe im Netz ausgelöst. Weniger als 300 Meter wohnt der 36-Jährige von der Messstation am Neckartor entfernt – ist also dicht dran an der dreckigsten Kreuzung der Republik, von der sich TV-Journalisten schon mal in Schutzkleidung und mit Gasmaske filmen lassen.

Mikolaj schreibt gerade für das Buch „Das gibt es nur in Stuttgart“

„Einen Unterschied zwischen der Luft an Alarmtagen und der Luft an Tagen, an denen sie aus dem Talkessel entweichen kann, merke ich nicht“, sagt der Autor, der gerade für den Silberburg-Verlag das Buch „Das gibt es nur in Stuttgart“ schreibt, das im Mai erscheint. Sehen kann er den Feinstaub nur, wenn sich dieser auf dem weißen Waschbeckenrand absetzt. „Früher“, erzählt er, „als ich in Vaihingen wohnte, musste ich nicht so oft Staub wischen.“ Kränker fühle er sich jedoch nicht.

Wer den Schaden hat, also zu viele Schadstoffe, kann selber spotten. Bei der Luftreinheit bildet ausgerechnet die von einem Grünen angeführte Kommune das unrühmliche Schlusslicht. Wenn schon Fritz Kuhn, der OB von Staubgart, das Problem nicht in den Griff bekommt, kann er wenigstens stolz darauf sein, dass mit dem Schadstoff- auch der Humorausstoß seiner Bürger größer ist als andernorts.

Im Schwarzwald mag man sich am Vorbild in Kanada orientieren, wo eine Firma Frischluft in Dosen in chinesische Smogstädte verkauft. Der Versuch, Flaschen mit Luft von Bad Wildbad in den Kessel der verschmutzten Kehrwochenmetropole zu bringen, war nur ein PR-Erfolg in eigener Sache. Die Betroffenen der Landeshauptstadt brauchen so etwas nicht. Viel besser geht die Stuttgarter Luft in Dosen, auf der auf dem Etikett deutlich steht: „Nur echt mit Feinstaub.“

„Stuttgart duftet auch nach Wald und Trollinger“

Eigenhändig verpackt Mikolaj daheim unweit des Neckartors bei geöffnetem Fenster den Witz in Dosen – mit Hilfe eines Einschweißgeräts. Die Dosen sind ein Renner geworden, ein begehrter Souvenirspaß. „Ohne die Aufschrift mit dem Feinstaub hätten sich unsere Dosen nur halb so gut verkauft“, glaubt der Blogger. Zwar sei die Stuttgarter Luft im negativen Sinne berühmt, doch sie biete noch mehr, wie auf dem Etikett zu lesen ist. „Stuttgart duftet auch nach Wald und Trollinger – die Stadt besteht nicht nur aus dem Neckartor“, sagt Mikolaj. Und am Neckartor dominiere das Staubproblem auch nicht immer: „Direkt gegenüber der Messstation drehen die Jogger im Schlossgarten ihre Runden.“

Dass es auch im Rathaus Scherzbolde gibt, die Späße zur Luftverschmutzung machen und einen Soundtrack mit Hits wie „Dust in the Wind“ über den Musikdienst Spotify ins Netz gestellt haben, findet der Dosenluftverkäufer nur auf den ersten Blick gut. In Wahrheit aber hätten sich „die Herrschaften von der Stadtverwaltung“ zu lange vom Lied „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ als Hymne beim Thema Feinstaub leiten lassen. Mikolaj: „Das Problem mit der Luft ist schon seit vielen Jahren bekannt. Selbst von der EU gibt’s daher nun eins auf die Mütze. Die Mühlen der Bürokraten mahlen bekanntlich besonders langsam. Ich bin gespannt, wann neuer Schwung in die Sache kommt.“

Unzufrieden mit dem öffentlichen Nahverkehr

Auto fährt der Stadtblogger nicht und verdammt doch die Autofahrer nicht, die nicht auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Denn der sei meist hoffnungslos überlastet. „Ich fahre jeden Tag gegen 9 Uhr mit der Stadtbahn zur Arbeit“, sagt Mikolaj, „da hängen die Fahrgäste jetzt schon wie in der Sardinendose aufeinander.“ Wie werde das erst, wenn die Autofahrer dazu kämen? „Die Taktungen der Bahnen sind noch zu schlecht“, kritisiert er, „es können nicht überall längere Stadtbahnen eingesetzt werden, die Züge sind zu den Stoßzeiten überfüllt.“ Die Ticketpreise seien obendrein keine Einladung zum Umsteigen. Um einen Autofahrer aus seiner fahrenden Komfortzone in Bus oder Bahn zu locken, müsse der Nahverkehr deutlich besser werden, findet Mikolaj. Wenn nicht bald spürbar weniger Autos in den Kessel fahren, wird der Feinstaub gefährlich bleiben. Ungewiss also ist, wann der Autor neue Etiketten auf seine Dosen mit dann feinstaubfreiem Inhalt kleben kann. Die Aufschrift „Stuttgarter Luft – jetzt auch in Sauber!“ lässt noch lange auf sich warten.

Der Dezember in Stuttgart

3. Dezember: Mit Live-Musik verabschieden sich die Wagenhallen bis mindestens Januar 2018 in die Umbaupause.

4. Dezember:
Nach dem Umbau erlebt der Fernsehturm einen Boom. Gut zehn Monate nach der Wiedereröffnung wird bereits die Besuchermarke von 500 000 geknackt.

5. Dezember: Das Museum am Löwentor muss seinen Veranstaltungsbetrieb reduzieren. Aus Brandschutzgründen kann etwa der Vortragssaal nicht mehr wie bislang genutzt werden. Dem Museum entgehen dadurch Einnahmen von 8000 bis 10 000 Euro.

14 . Dezember
: Stuttgart verliert im Krippenstreit: Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim entscheidet, dass die Stadt einer Familie die Mehrkosten für eine private Kita erstatten muss, wenn das Kind in keiner städtischen Einrichtung unterkommt.

16. Dezember:
Das Wildtierverbot für Zirkusse soll auf den Wasen ausgedehnt werden. Der Wirtschaftsausschuss hat zugestimmt, der Gemeinderat ist jetzt gefragt. Greifen soll es ab April 2019.

23. Dezember:
Mit 31 Tagen gehört der Stuttgarter Weihnachtsmarkt 2016 zu den längsten. Veranstalter in.Stuttgart meldet mehr als vier Millionen Gäste und damit einen Rekord.