Jedes Jahr instrumentalisieren Rechtsextreme auf dem Pforzheimer Wartberg die Erinnerung an den 23. Februar 1945 für eigene Zwecke. Der Gewerkschaftsbund will Flagge zeigen gegen „Fremdenfeindlichkeit und populistische Hetze“, wirbt bisher aber vergeblich für ein großes Gegenbündnis.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Pforzheim - Es ist ein besonderes Jahr für Pforzheim, die 250 Jahre alte Schmuck- und Uhrenstadt. Solidarität ist unverkennbar: Zur Finanzierung des Jubiläums sind nach Angaben der Stadt bisher 2,4 Millionen Euro an Spendengeldern eingegangen – davon etwa 744 000 Euro in Form von Sach- und Medialeistungen. 78 Unternehmen und weitere fünf Projektpartner beteiligen sich. „Das sind mehr Sponsoren als Karlsruhe bei KA 300 und im Verhältnis zur Bevölkerung auch weit mehr, als München bei seinem Jubiläum aufgebracht hat“, sagt Jubiläumskoordinator Gerhard Baral stolz. Die Stadt bringt weitere rund 2,2 Millionen Euro auf.

 

In dieser Woche ist den Pforzheimern wenig zum Feiern zumute: Am Abend des 23. Februar 1945 attackierten alliierte Bomber die Stadt, die durch ihre Feinmechanik-Betriebe und Bahnanlagen militärisch bedeutsam erschien. Bis zu 17 600 Menschen starben in dem 22-minütigen Bombenhagel und dem folgenden Feuersturm. Jährlich erinnert Pforzheim an die Katastrophe. So werden am Donnerstagabend wieder die Glocken läuten, Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) wird auf dem Marktplatz reden, und es wird einen Segensspruch von Vertretern unterschiedlicher Religionen geben – all dies im „Lichtermeer“. Das Motto „Fackeln aus! Pforzheim setzt Zeichen“ ist ein Appell an alle Bürger, gegen den aufkommenden Rechtsextremismus zusammenzustehen. Denn wie seit mehr als 20 Jahren wird die rechte Szene des Südwestens den Tag der Zerstörung wieder für ihre Zwecke instrumentalisieren – mit einer Fackelmahnwache des „Freundeskreises Ein Herz für Deutschland“ auf dem Wartberg.

Rechtspopulisten mit großem Anhang in Multi-Kulti-Stadt

Die Gewerkschaften demonstrieren dagegen: Der DGB-Kreisverband und die „Initiative gegen rechts“ planen eine Kundgebung unter dem Motto „Pforzheim nazifrei!“ Hauptredner ist der neue DGB-Landeschef Martin Kunzmann. „Es darf nicht sein, dass die da oben ihre Fackelmahnwache abhalten, ohne dass aus der Stadt heraus Protest dagegen erhoben wird“, sagt der frühere IG-Metall-Bevollmächtigte. Seit der Landtagswahl, bei der die AfD mit 24,2 Prozent eines von zwei Direktmandaten im Südwesten geholt hat, kämpft er mit noch mehr Vehemenz: Flagge zeigen gegen Fremdenfeindlichkeit und populistische Hetze in einer Stadt, wo fast 49 Prozent der 123 600 Einwohner einen Migrationshintergrund haben und fast jeder Vierte ein Ausländer ist. Am frühen Abend ziehen die Menschen vom Marktplatz zum Wartberg, wo gegen 18.30 Uhr die Kundgebung beginnt. In den Vorjahren hat das Ordnungsamt an die hundert Rechte von ihrem Sammelplatz aus hochgefahren, wo sich dann die drei- bis vierfache Zahl von Nazigegnern einfand. Dazwischen standen dann 900 oder mehr Polizisten, um Krawalle zu verhindern. Die Strategie, gewaltbereite Neonazis und Antifaschisten strikt zu trennen, soll auch diesmal den Erfolg bringen.

Kunzmann: Am besten die Mahnwache verbieten

Der DGB wünscht ein gesellschaftliches Gegenbündnis, das mehr Menschen anzieht als bisher. In diesem Zuge will Kunzmann die „Mauern einreißen zwischen den demokratischen Parteien“, beklagt aber, dass sich CDU und FDP kaum einbinden ließen. Dort störe man sich etwa an der Namensgebung „Initiative gegen rechts“, heißt es beim DGB. „Ich hätte gerne einen Zusammenschluss aller Parteien, um am Wartberg eine Gegendemo zu veranstalten“, sagt der Landesvorsitzende. Mehr noch: „Die Stadt sollte dafür sorgen, dass das da oben verboten wird.“ Doch herrscht im Rathaus offenbar der Tenor vor: Auf dem Wartberg sieht man die Rechten nicht – aus den Augen, aus dem Sinn eben. Eine einheitliche Aktion wird es diesmal also nicht geben. Doch hat man sich schon zum Runden Tisch nach der OB-Wahl am 7. Mai verabredet. So klappt es vielleicht 2018 mit dem solidarischen Gedenken.