Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle wirbt um den Nachwuchs: Die Physik braucht mehr interessierte Studenten.

Stuttgart - „Die Ideen gehen uns nicht aus“, sagt der Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle am Rande der Jahrestagung der Physiker in Stuttgart. Auch heute gilt es, Neuland zu entdecken. Fast wörtlich nimmt das John Grenfell, der Ausschau nach den sogenannten Exoplaneten hält. Der Nachwuchsforscher hat im englischen Cambridge promoviert und arbeitet seit nunmehr zehn Jahren an der TU Berlin. Im Licht ferner Sternsysteme sucht er nach Fingerabdrücken des Lebens: Sauerstoff, Ozon oder Lachgas. Das gilt auch für die Nachwuchsphysikerin Anke Wagner vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg: Sie stellt eine der Grundlagen unseres Weltverständnisses von Licht und Materie – die sogenannte Quantenelektrodynamik – auf den Prüfstand.

 

Aber macht es Sinn, eine etablierte Theorie bis auf die x-te Nachkommastelle immer wieder und noch besser zu beweisen? „Auf jeden Fall“, sind sich die Nobelpreisträger und Tagungsteilnehmer Theodor Hänsch und Wolfgang Ketterle unisono sicher. „Bessere Präzisionsmessungen führten bislang immer zu technischen Fortschritten“, erläutert Wolfgang Sandner, der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. „Man denke nur an die Uhr.“ Solche Experimente haben auch Hänsch den Nobelpreis im Jahr 2005 eingebracht. Mit seiner Entwicklung eines sogenannten hochpräzisen Frequenzkamms können Atomuhren noch genauer gebaut werden. Nicht nur die Satellitennavigation hängt von diesen Superzeitmessern ab.

Physik in Deutschland in vielen Bereichen führend

Hänsch gibt auch zu Protokoll, dass sich die deutsche Physik keinesfalls hinter den USA zu verstecken brauche. In vielen Bereichen sei das Fach führend, was er auch auf die weltweit einmalige Einrichtung der Max-Planck-Institute für sorgenfreie Grundlagenforschung zurückführt. Und der Nachwuchsforscher Sebastian Hofferberth, der unlängst vom MIT an die Uni Stuttgart gewechselt ist, ergänzt, dass die vielfältige und breite deutsche Universitätslandschaft ihresgleichen suche.

Klarer Vorteil der USA sei hingegen, betonte der am MIT lehrende Ketterle, das unerschöpfliche Potenzial junger Menschen, die an die Universitäten und in die Physik strömen. In Deutschland hat die Physik Nachwuchssorgen, da kann Werbung nicht schaden. Und so berichtet der Nobelpreisträger von 2001 öffentlich über seine aktuellen Forschungsarbeiten: Man nehme 100 000 Atome und kühle sie auf unter ein Millionstel Kelvin herunter – also bis fast zum absoluten Nullpunkt, wo die Atome ihr Eigenleben verlieren und als Atomwolke wie eine Einheit funktionieren. „Wir sehen dann ähnliche Eigenschaften wie bei der Supraleitung“, erklärt Ketterle. Und dieses Phänomen, das Strom ohne Widerstand verlustfrei fließen lässt, ist den Physikern noch längst nicht klar.

Der Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle berichtet am Donnerstag, 15. März, über „Superflüssige Gase nahe dem absoluten Temperatur-Nullpunkt“ . Um 20 Uhr, Campus Vaihingen, Pfaffenwaldring 53, Hörsaal 53.01 (Audimax).