Auch am zweiten Tag nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche ist der Ärger bei Grünen und CDU groß. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Vize Thomas Strobl hoffen, dass sich Neuwahlen noch vermeiden lassen.

Stuttgart - Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen in Berlin hält Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Neuwahlen nicht wirklich für eine Lösung. Noch einmal zu wählen, könne nicht ernsthaft die Ansage von Politikern an ihre Wähler sein, sagte er am Dienstag in Stuttgart. „Es ist schließlich der Souverän, der entschieden hat, und nicht irgendein Hampelmann.“

 

Eine Minderheitsregierung in Deutschland hält Kretschmann allerdings auch für sehr unwahrscheinlich. Das Land habe keine Tradition in dieser Hinsicht. „Ich denke nicht, dass es dazu kommen wird.“ Auch Innenminister Thomas Strobl, der als CDU-Bundesvize wie Kretschmann zu den Jamaika-Unterhändlern gehörte, sprach sich gegen eine Minderheitsregierung aus. Ein Land mit 82 Millionen Einwohnern und Verantwortung in Europa brauche eine stabile und verlässliche Regierungsarbeit. „Das ist bei einer Minderheitsregierung schwierig.“

Kretschmann und Strobl erinnerten daran, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) nun Gespräche mit den im Bundestag vertretenen Parteien führen will, die für eine Regierungsbildung infrage kommen. Dabei deuteten sie an, dass sie doch noch auf Bewegung bei der SPD hoffen, die mehrfach erklärt hatte, nicht für eine Neuauflage einer schwarz-rote Bundesregierung bereitzustehen.

Kritische Stimmen in der SPD werden laut

Unterdessen gibt es aber auch in der SPD Stimmen für eine Prüfung einer großen Koalition. Der Oberbürgermeister von Schorndorf, Matthias Klopfer (SPD), sagte dem SWR, eine Minderheitsregierung könne auf kommunaler Ebene funktionieren, wo man mit wechselnden Mehrheiten entscheide. Auf Bundesebene brauche man allerdings eine stabile und starke Regierung. Die Sozialdemokraten müssten sich daher jetzt bewegen. Es gelte: Erst das Land, dann die Partei.

Kretschmann und Strobl sehen das Vertrauensverhältnis zwischen Grünen und CDU vor allem im Land, aber auch im Bund, durch die Sondierungsverhandlungen gestärkt. Sie bekräftigten, dass am Sonntag eine Einigung über ein schwarz-gelb-grünes Bündnis ganz knapp bevorgestanden habe, als die FDP die Sondierungsgespräche verließ. FDP-Landeschef Michael Theurer hatte der Darstellung aber widersprochen, Jamaika habe kurz vor einer Einigung gestanden.

Im Falle einer Neuwahl im Bund hält der Politikwissenschaftler Michael Wehner eine Verschiebung bei den Ergebnissen für möglich. „Angesichts der entstandenen Dynamik, Medienberichterstattung und Wahrnehmung des negativen Ausgangs der Jamaika-Sondierungen ist durchaus Bewegung zu erwarten“, sagte der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg der Deutschen Presse-Agentur.

Viele Fragen könnten eine Rolle spielen - zum Beispiel, wie die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) während der Jamaika-Verhandlungen bewertet werde, ob die Wähler die FDP abstraften für das Nichtzustandekommen des Bündnisses und ob Linke und AfD von dem Scheitern der Sondierungsgespräche profitierten. Die Frage sei auch, mit welchem Spitzenkandidaten die SPD bei einer Neuwahl antrete, und wie ihre Weigerung, eine große Koalition einzugehen, bei den Wählern ankomme. „Da ist Musik und Bewegung drin, also durchaus Potenzial für Wählerwanderungen und Wechselwahlverhalten“, sagte Wehner.