Jan Böhmermann hat ein schweres Schicksal. Der Moderator gilt als ewiger Geheimtipp. ZDF Neo gibt dem Late-Night-Talker jetzt die Chance, diesen Status zu überwinden: Im „Neo Magazin“, das am Donnerstag auf ZDF Neo startet, will er Politik und Satire unterhaltsam verbinden.

Stuttgart - Ein kleines Studio auf einem Hinterhof im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Hier empfängt er Journalisten zum Interview, er, der „Digitalsparten-Qualitätsentertainer“, wie sich der notorische Anzugträger Jan Böhmermann ja selber nennt. Der 32-jährige Moderator ist zurück im Zweiten, zwar nur bei der kleinen Schwester ZDF Neo, dafür aber mit einem Plan, wie er die Fernsehunterhaltung retten will. Ein Gespräch über Dinosaurier und die Nebenwirkungen von Viagra.

 
Herr Böhmermann, was hat der kleine Dinosaurier auf dem Schreibtisch Ihrer neuen Show „Neo Magazin“ verloren?
Sie meinen den Triceratops? Das ist das Maskottchen der Sendung. Er ist ein bisschen wie das ZDF. Galt schon als ausgestorben, ist aber noch da. Deswegen haben wir ihn für uns ausgesucht.
Hat der Triceratops auch mit Ihnen etwas gemeinsam?
Nö, der Dino ist einfach ein Tier zum Draufreiten. Ich wollte im Vorspann gerne reiten. Einhörner gibt es nicht. Weiße Pferde waren zu teuer. Deswegen haben wir den Dinosaurier genommen.
„Neo Magazin“ orientiert sich in seiner Retro-Optik und im Duktus an dem ZDF-Magazin mit Gerhard Löwenthal, dem erzkonservativen Pendant zur DDR-Propagandasendung „Der schwarze Kanal“. Wie sind Sie auf diesen Betonkopf gekommen?
Ich fand es spannend, dass es mal eine Zeit gab, als das Fernsehen ein Leitmedium war. Löwenthal hat sich hingesetzt, eine Zigarette geraucht und gesagt: Was ihr sagt, ist mir scheißegal. Ich sag Euch jetzt mal, wie das wirklich ist.
Warum hat so einer gerade noch gefehlt?
Vor uns stehen jetzt vier Jahre große Koalition. Was zählt, ist der Konsens. Da sind alle Ecken ab. Als Fernsehsender, der was auf sich hält, muss man was dagegen setzen.
Sie waren gerade drei Jahre alt, als das ZDF-Magazin 1987 eingestellt wurde. Wie haben Sie das Format entdeckt?
Ich habe mir alte Sendungen aus den Archiven angeguckt. Ich fand Löwenthal stramm reaktionär – aber die Tatsache, dass das mal möglich war im Fernsehen, sehr amüsant. Ich brauchte ein Gerüst als Inspirationsquelle für die Sendung. Ich habe mich gefragt: Wo sind heute die Gräben? Zwischen Ost und West ja nicht mehr.
Ihnen als Anzugträger scheint das Reaktionäre zu liegen.
Ich bin spießig in der persönlichen Lebensführung. Keine erwähnenswerten Exzesse, außer Analsexparties.
Viele Dinosaurier sind bei der letzten Bundestagswahl herausgekegelt worden. Perfektes Timing für die neue Show?
Stimmt, die Sendung wird allerdings weniger politisch, als Sie denken. Eigentlich wird es eine Unterhaltungssendung und noch lieber eine Comedy. Hängen wir die Latte mal nicht so hoch.
Nach der Neuerfindung des Rads klingt das Konzept, das Sie verfolgen. ja nicht gerade.
Nee, eher nach einer Neuinterpretation durch verrückte 19-jährige Medienfuzzies, wie ich einer bin. Man muss antizyklisch denken. Genauso, wie wir bei ZDF Kultur mit „Roche & Böhmermann“ eine Talkshow gemacht haben, obwohl es schon genug Talkshows gab.
Scheitern als Chance, das war das Konzept dieses Talks. Sind Sie wirklich immer so cool, wenn etwas schiefgeht?
„Roche & Böhmermann“ war eine reine Experimentiershow. Rausgehen und mal gucken, was passiert. Mit der gleichen Leichtigkeit wollten wir jetzt eine eigene Sendung machen. Die reine Provokation wäre mir zu wenig.
Ihrem Kollegen Oliver Pocher reicht das vollauf. Er hat damit sogar Erfolg.
Schön für ihn. Ich befürchte aber, dass unser „Neo Magazin“ das Gegenteil von „Promi Big Brother“ ist.
Warum befürchten?
Wir haben ein verhältnismäßig kleines Budget. Wir haben einen kleinen Sender. Einen unbekannten Moderator. Keine Sau kennt mich . . .
 . . .  jetzt ist aber genug mit der Koketterie.
Na ja, kein Vergleich mit Twitter-Guru Olli Pocher.
Wurmt es Sie, dass Sie auch mit 32 Jahren als ewiger Geheimtipp gelten?
Ach, ich sehe das sportlich. Keiner kennt mich. Wir müssen uns einfach anstrengen, um uns abzugrenzen. Wir haben ja nichts anderes.
Und zu scheitern macht Ihnen nichts aus?
Ich mache seit Jahren Radio. Ich habe dort mit Straßenreportagen angefangen. Das härtet ab. Es gibt tatsächlich wenig Dinge, die mich noch überraschen können.
Ist Ihnen das Herz trotzdem schon mal in die Hose gerutscht?
Na klar, das ist schon öfter passiert. Bei „Roche & Böhmermann“ habe ich mal Viagra geschluckt. Die erhoffte Erektion blieb aus, aber nach einer Viertelstunde habe ich hämmernde Kopfschmerzen bekommen. Es war, als würde ich in einem Techno-Club moderieren, die Bässe waren ganz laut. Das sind die schlimmsten Momente: Wenn man nicht weiß, wie man aussieht.
Das „Neo Magazin“ will sich dem Zwang zum Konsens widersetzen. Wie wirkt sich dieser Zwang auf Fernsehunterhaltung aus?
Oliver Fuchs, der Unterhaltungschef des ZDF, hat neulich gesagt, es muss Moderatoren geben, die von den Leuten gerne ins Wohnzimmer gelassen werden. Also jemanden wie Johannes B. Kerner. Bei Jan Böhmermann sei man da vielleicht schon eher vorsichtig.
Dabei sehen Sie im Anzug wie Schwiegermutters Liebling aus.
Ja, ich stehe einfach mit einem Blumenstrauß in der Hand vor der Tür, bis man mich reinlässt. Allein schon aus Mitleid. Und dann werde ich nie wieder gehen.
Hat Oliver Fuchs die Sache mit dem nicht Hereinlassen als Kompliment gemeint?
Wenn ich es nicht als Kompliment auffassen würde, könnte ich nicht mehr schlafen. Andererseits muss man ja sehen: Leute wie Jörg Pilawa für die 20.15 Uhr-Unterhaltung muss es auch geben. Es schlägt ja doch kein Meteorit auf der Erde ein, der alle Saurier sterben lässt. Ich bin ja ein Freund der Evolution (grinst).
Abwarten, bis man die Alten mit den Füßen voran von der Bühne trägt?
Die biologischen Uhren sind auf unserer Seite. Und inzwischen können wir entspannt das Laufen lernen. Das muss sich organisch entwickeln.
Wenn Sie noch lange warten, kriegt der ewige Geheimtipp einen weißen Rauschebart.
Irgendwann wird es bestimmt die Gelegenheit geben, dass ich eine Sendung moderieren kann, die mehr Leute gucken.
Wofür steht denn die Marke Böhmermann?
Für unaufdringliche Sexyness. Und Humor, der niemandem wehtut und allen gefällt.
Was bleibt von der Marke übrig, wenn man die Ironie abzieht?
Wie soll ich das beurteilen? Ich bin ja ich. An mir ist nichts Besonderes. Privat bin ich meistens in Jack-Wolfskin-Windbreakern unterwegs. Anarchie und mein Bedürfnis nach Exaltiertheit lebe ich ausschließlich im Beruf aus. Sobald die Kamera aus ist, falle ich zusammen wie ein Soufflé.