Die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Frühjahr hat die Verbraucher vor allem erschreckt. Jetzt üben sie sich in Kaufzurückhaltung.

Tokio - Schokomandeln sind eine beliebte Süßigkeit in Japan, jeder Supermarkt führt Almond Choco. Bis März waren in jeder Packung 23 Stück. Doch danach reduzierte ein Hersteller ihrer Anzahl auf 21. Der Preis blieb gleich. So reagierte der Hersteller auf die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. April 2014 von fünf auf acht Prozent. Andere verteuerten ihre Produkte um acht Prozent Mehrwertsteuer, wobei die Steuer nur um drei Punkte stieg. Die Verbraucher reagierten auf ihre Weise: Die Konsumausgaben fielen im August um 4,7 Prozent, es war der fünfte Rückgang in Folge. Da half es wenig, dass der japanische Premierminister Shinzo Abe und die Zentralbank zum Ausgleich an die Firmen appellierten, Löhne und Gehälter zu erhöhen. Allenfalls Großkonzerne folgten der Aufforderung. Das Gros der kleinen und mittleren Betriebe dagegen hielt sich mit Gehaltserhöhungen zurück.

 

Wer die Chefs solcher Firmen nach positiven Effekten von „Abenomics“ auf ihr Geschäft fragt, hört häufig ein klares Nein. Dabei wollte Premierminister Abe mit der nach ihm benannten „Abenomics“ – einer Mischung aus einer Lockerung der Geldpolitik, Konjunkturpaketen und dem Versprechen von Strukturreformen – Japans Wirtschaft zu neuer Blüte verhelfen. Doch die „Abenomics“ hängen in der Warteschleife. Die vor einem guten Jahr angekündigten Strukturreformen wurden kaum umgesetzt.

Ernüchterung statt Aufbruch

Ein weiterer Grund zur Sorge ist das Produktionsvolumen, das trotz gegenteiliger Erwartungen von Ökonomen im August um 1,5 Prozent fiel. Im Juni lag der Rückgang sogar bei 3,4 Prozent. „Die Wirtschaft wird keine klare Erholung für den Rest des Jahres sehen“, sagte Takeshi Minami, Chefökonom des Norinchukin Research Institute der Agentur Reuters.

Insgesamt zeigte das erste Halbjahr eine japanische Wirtschaft, die starken Schwankungen unterworfen ist: Während sie im ersten Quartal um 5,9 Prozent wuchs, schrumpfte sie im zweiten Quartal um 7,1 Prozent. Während Abes vollmundige Versprechen 2013 noch Aufbruchstimmung aufkommen ließ, hat sich nun Ernüchterung breitgemacht.

Dazu trug auch bei, dass Details zu Strukturreformen, dem „dritten Pfeil“ von Abes Wirtschaftsprogramm, lange auf sich warten ließen. Vor einem Jahr war recht allgemein von einer Steigerung technischer Investitionen die Rede, von Frauenförderung und der Aufnahme von mehr Einwanderern. Erst Mitte 2014 legte Abe mit konkreteren Plänen nach, etwa mit der Senkung der Unternehmensteuer von mehr als 35 auf unter 30 Prozent. Aktuell wird diskutiert, ob die Mehrwertsteuer wie geplant um weitere zwei Prozent auf insgesamt zehn Prozent im Oktober 2015 erhöht werden soll. Abe will sich bis Jahresende dazu äußern. Beide Steuererhöhungen würden zusammen 1800 Milliarden Yen (rund 13 Milliarden Euro) in die Staatskasse spülen. 20 Prozent davon werde in die Sozialversicherung fließen, versprach Abe vor Kurzem in einer Unterhaussitzung. Japan steht durch Überalterung und einen drohenden Arbeitskräftemangel unter Druck.

Falsche Zeit für Steuererhöhungen

Der Oppositionspolitiker Kenji Eda sagte in der gleichen Sitzung, mangels wirtschaftlicher Stärke sei nicht die richtige Zeit für eine weitere Steuererhöhung. Selbst Abes Berater in Wirtschaftsfragen, Koichi Hamada, ein emeritierter Professor der Universität Yale, ist skeptisch. Schon die Erhöhung im April sei ein schwerer Schlag für die Konsumenten gewesen. Hamada sagte dem Mediendienst Bloomberg, falls die Wirtschaftsdaten von Juli bis September keine Verbesserung zeigten, empfehle er eine Verschiebung oder lediglich graduelle Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Abe sollte lieber versuchen, Investitionen in Japan aus dem In- und Ausland anzuziehen, sagte Hamada. Doch bis Investoren das Vertrauen in Japan wiedergewinnen, müssten Regierung und Industrie schnell und beherzt handeln, schreibt die Wirtschaftszeitung „Nikkei“ in einem Leitartikel. Finanzminister Taro Aso ist zuversichtlich: „Ab September, Oktober“ gehe es wieder aufwärts, sagte er vor Kurzem.