Japans Nationalgetränk ist nicht mehr so populär wie früher. In einigen Bars in Tokio wird der Kult um den Sake aber bis heute noch richtig gepflegt.

Tokio - Eine Sake-Bar im Tokioter Stadtteil Shinbashi. Die Klientel des Lokal mit dem Namen Kuri besteht ausnahmslos aus ältlichen, hausbackenen Männern. Die kleine Stehbar befindet sich in einem Gebäude aus den 1960er Jahren, als die Wirtschaft des Landes boomte und Japan sich Architekten leisten konnte, die sich an hässlich verschachtelten Bauten austoben durften. Das riesige Gebäude nahe dem Bahnhof Shinbashi wirkt wie ein skurriler Geheimtipp, der nur darauf wartet, von Sake-Fans entdeckt zu werden. Noch skurriler erscheint die matronenhafte Gebieterin über das Kuri, Istsuko Kurihara, eine Dame um die sechzig mit Brille, die aussieht, als würde sie eher säuberlich Stempel in Bibliotheksbücher setzen, denn Sake ausschenken.

 

„Ich liebe es, meinen Gästen fantastischen Sake zu servieren. Das sind echte Kenner, die wirklich Ahnung davon haben, was sie trinken“, sagt sie. Um das traditionelle Wesen des Getränks zu unterstreichen, trägt Istsuko Kurihara bei der Arbeit stets einen Kimono und darüber einen weißen klinikartigen Kittel: Das Gesamtbild ist also gleichzeitig traditionell und medizinisch. Niemand kommt wegen der Atmosphäre hierher: Das spartanische Dekor erschöpft sich in an die Wand geklebten Etiketten von Sake-Flaschen, deren einzelne Geschmacksprofile Kurihara in perfekter Erinnerung behalten hat. Die durchschnittliche Klientel von Frau Kurihara macht deutlich, dass Sake ein kleines Imageproblem hat.

Sake bei der Hochzeit ist ein Muss

In Japans jüngerer Generation gilt er im Allgemeinen als ultrapassé: Junge Japaner haben genauso wenig Lust auf das Getränk ihrer Väter, wie sie den Wunsch verspüren, deren Badewasser zu trinken. Bier ist das meistkonsumierte Getränk, doch auch Hochprozentiges und Wein haben enorm aufgeholt und dem Sake oder Nihonshu, wie er in Japan genannt wird, große Marktanteile abgenommen. Sake liegt aktuell bei unter zehn Prozent der in Japan konsumierten alkoholischen Getränke. So war es nicht immer. In den ältesten historischen Aufzeichnungen aus dem 3. Jahrhundert finden sich Hinweise auf ein beliebtes alkoholisches Getränk, bei dem es sich wahrscheinlich um Sake handelt. Bis heute kann man vor großen Shinto-Schreinen häufig dekorativ aufgebaute Sake-Fässer sehen. Bei einer traditionellen Hochzeit besiegelt das glückliche Paar mit Sake seinen Schwur.

Das Getränk wird seit achthundert Jahren mehr oder weniger nach demselben Verfahren gebraut. Anders als Wein hält sich Sake nicht sehr gut. Damit Sake geschmacklich dem entspricht, was der Brauer beabsichtigte, muss er jung getrunken werden, am besten innerhalb eines Jahres. Es gab jedoch auch eine Zeit, in der alter Sake getrunken wurde. Der vielleicht beste Ort in Tokio, um dieser Veränderung nachzuspüren, ist die Bar Shusaron im Stadtbezirk Shinagawa, einer recht nüchternen Gegend, deren größter Vorzug darin besteht, dass hier der Shinkansen hält. Im Gegensatz zum Kuri und seiner tristen, deprimierenden Umgebung präsentiert sich das Shusaron als elegante Bar mit Holzvertäfelung, blank polierten Tresen und effektvoller Beleuchtung in einem edlen Einkaufszentrum. Smart gekleidet wie jemand, der eine Cocktailbar in einem teuren Hotel führt, spricht der Besitzer des Shusaron, Nobuhiro Ueno, enthusiastisch über seinen bevorzugten Sake-Typ.

Gereifter Sake (koshu) ist teuer und hat nur einen winzigen Prozentsatz am gesamten Sake-Markt, bemerkenswert ist er aber allemal, offenbart er doch die unglaubliche Geschmacksvielfalt des Getränks: Whiskys schmecken wie Whiskys, Weine schmecken wie Weine, gereifter Sake aber schmeckt ganz und gar nicht wie andere Sake. Der Reifeprozess findet unter verschiedenen Voraussetzungen statt: in der Flasche oder in Eichenfässern, die für die Ausreifung von Whisky oder Wein verwendet werden; bei Raumtemperatur oder unter gekühlten Bedingungen. Während Ueno den gereiften Sake einschenkt, wird klar, dass dies mit dem Standardgebräu rein gar nichts mehr zu tun hat. Die Farbe variiert je nach Dauer und Bedingungen der Lagerung erheblich, typisch für gereiften Sake ist jedoch ein Farbton wie Karamell oder dunkler Whisky.

Gemeinsamkeiten von Sake und Wein

Um den Unterschied zu normalem Sake zu unterstreichen, serviert Ueno seinen gereiften Sake mit Beigaben wie geräuchertem Miso und Schokolade. Der sherryartige Charakter einiger gereifter Sake macht sie zu idealen Begleitern süßer Speisen. Sake wird oft fälschlicherweise als Reiswein bezeichnet. Die Herstellung von Sake ähnelt mehr dem Brauen von Bier: Für beide wird Getreide in Zucker umgewandelt und dann Hefe zugesetzt, um Alkohol zu produzieren. Die Produktionsstätten heißen konsequenterweise auch Brauereien. Ein paar Gemeinsamkeiten haben Sake und Wein aber doch, auch wenn Sake meist eineinhalbmal stärker daherkommt als Wein.

Beide Getränke werden oft in ähnlicher Weise genossen und gerne mit Essen gepaart. Einen Ansatz, der Sake eine Zukunft sichern könnte, liefert Ofer: »Kein anderes Getränk besitzt auch nur ansatzweise die geschmackliche Vielfalt von Sake. Aber es springt nur sehr wenig Geld dabei heraus. Sake ist kein Getränk, um das sich alle reißen. Wer Sake braut, darf nicht erwarten, damit reich zu werden. Vielmehr müssen die Brauer mit Liebe und Leidenschaft an ihr Produkt herangehen und bereit sein, eine Menge harter Arbeit für ein gutes Produkt zu investieren. Am Ende steht echtes Handwerk, höchste Professionalität gepaart mit großer Bescheidenheit. Eine solche Kombination ist in der heutigen Welt nur schwer zu finden.“

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Infos zu Japan

Anreise
Ab Frankfurt am Main mit Emirates ( www.emirates.com/de ) oder Japan Airlines ( www.jal.com) nach Tokio.

Unterkunft
Das Hotel Remm Hibiya liegt zentral, DZ ab 105 Euro, www.remm.jp/hibiya/

Grand Prince Shin-Takanawa ist ein großes Kettenhotel, DZ ab 97 Euro, www.princehotels.com/en/newtakanawa/

Sake-Bars
Shusaron (für gereiften Sake): www.koshunavi.com/user_data/f7_tempo.php

Kuri: www7a.biglobe.ne.jp/~kurisake/shinbashi/top.html

Allgemeine Information
Japanisches Fremdenverkehrsamt, Kaiserstraße 11, 60311 Frankfurt, Tel. 069 / 2 03 53, www.jnto.de/

Eine umfassende Auswahl an Sake findet man in Deutschland unter www.japan-gourmet.com .