Die Japanerin Yuko Karkat-Shimbara kam einst nach Deutschland, um Bäckerin zu werden – heute organisiert die Herrenbergerin Exkursionen für Brezel-begeisterte Landsleute.

Herrenberg - Wenn Japaner exotische Backwaren essen möchten, haben sie eine breite Auswahl: Sie können sich einen amerikanischen Muffin kaufen oder ein französisches Croissant – in japanischen Großstädten ist das alles kein Problem. Doch wer sich nach etwas wirklich Ausgefallenem sehnt, entscheidet sich für einen gefüllten Streuselkuchen oder eine Dinkelseele. „Seit etwa zehn Jahren kann man auch in Japan immer häufiger deutsche Backwaren kaufen“, erzählt die Bäckermeisterin Yuko Karkat-Shimbara.

 

Seit zwölf Jahren lebt die Japanerin in Herrenberg. Ihre Liebe zu deutschen Backwaren hat sie zum Beruf gemacht: Für japanische Bäckerschüler organisiert sie Abschlussfahrten zu schwäbischen Bäckereien. Für japanische Hochglanz-Zeitschriften schreibt sie darüber, womit man Vollkornbrötchen oder Dinkelseelen am besten belegt. Dazwischen begleitet sie japanische Geschäftsleute zur internationalen Bäckermesse nach München.

Vor Kurzem hat sie japanische Bäckerinnen aus ganz Deutschland versammelt. Im traditionellen Backhäuschen in Kuppingen haben die zwölf Frauen Brot und Zwetschgenkuchen gebacken. Sie alle haben ihren Beruf in Deutschland erlernt.

Schon als Kind von einer deutsche Bäckerei geträumt

Dabei hatte Yuko Karkat-Shimbara nach dem Abitur zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Weil sie in der Schule gut im Rechnen war, studierte sie erst einmal Mathematik. „Während des Studiums habe ich dann gemerkt, dass das gar nicht so mein Ding ist“, erzählt die heute 43-Jährige. Nach ihrem Abschluss fing sie deshalb an, Gärten zu planen. Es war ein sicherer und gut bezahlter Job – zufrieden war Yuko Karkat-Shimbara trotzdem nicht. „In Japan ist es für Frauen schwierig, beruflich voranzukommen – viele ziehen sich nach der Heirat zurück“, erzählt sie. Mit Mitte 20 erinnerte sie sich deshalb an ihren Kindheitstraum: in Deutschland die Backkunst zu erlernen und dann eine eigene Bäckerei zu eröffnen.

Denn Laugenbrezeln und Vollkornbrötchen hatte Yuko Karkat-Shimbara schon als Kind kennengelernt. „Viele Japaner essen nach wie vor Reis, Misosuppe und Fisch zum Frühstück“, erzählt die Japanerin. „Aber meine Mutter war sehr aufgeschlossen, deshalb gab es bei uns häufig Brot oder Brötchen.“ Es war aber nicht das amerikanisch inspirierte Weißbrot, das die kleine Yuko in ihren Bann zog, sondern das schwere deutsche Vollkornbrot.

In der Backstube schwitzen statt vor dem Computer sitzen

Viele Jahre später wanderte Karkat-Shimbara dann tatsächlich in die Heimat des Vollkornbrotes aus: Als 27-Jährige kam sie nach Deutschland, lernte die Sprache und ließ sich in Hannover zunächst zur Bäckerin ausbilden. Nachdem sie jahrelang am Computer Gärten entworfen hatte, genoss sie die körperliche Arbeit. „Man verarbeitet Zutaten zu einem duftenden Gebäck, dabei fließt der Schweiß – das war genau das Richtige für mich“, erzählt Karkat-Shimbara. Nach einigen Jahren hielt sie ihn dann in der Hand – den deutschen Meisterbrief. „Meine Eltern und Freunde in Japan hätten sich einige Jahre vorher noch nicht vorstellen können, dass ich das schaffe“, berichtet sie stolz. Nur ihren Traum von der deutschen Bäckerei in Japan konnte sie nicht verwirklichen: Seit einem Bandscheibenvorfall ist die schwere Arbeit in der Backstube Tabu für sie.

Auch die Atomkatastrophe von Fukushima und die wirtschaftliche Flaute in Japan haben dafür gesorgt, dass Yuko Karkat-Shimbara ihre Pläne zur Rückkehr nach Japan auf unbestimmte Zeit verschoben hat. In Herrenberg ist sie heimisch geworden. Hier wohnt sie mit ihrem deutschen Mann und der sechsjährigen Tochter. Viele der Bäckermeister im Gäu kennt sie persönlich. Wenn japanische Touristen heute nach Herrenberg kommen und die Bäckerei von Jochen Baier suchen, haben sie in einem japanischen Magazin darüber gelesen – denn Yuko Karkat-Shimbara organisiert Pressereisen zu schwäbischen Traditionsbetrieben.

Japanische Touristen suchen nach Traditionsbäckerei

Auch wenn der Traum von der eigenen Bäckerei in die Ferne gerückt ist – eine kleine Backstube wird Yuko Karkat-Shimbara bald ihr Eigen nennen können. „Wir bauen gerade ein Haus“, erzählt sie. „Im Garten möchte ich unbedingt einen kleinen, traditionellen Holzofen bauen lassen.“