Amerikaner lieben solche Geschichten: ein Mann schafft es von unten nach oben in einer Gesellschaft ohne Netz. Jennifer Lawrence zeigt uns die weibliche Variante dieser Zähigkeit. Aber der Film „Joy“ hat noch mehr Probleme als seine Hauptfigur.

Stuttgart - Erfolgsgeschichten kann man ganz unterschiedlich erzählen, wie diverse Variationen des uramerikanischen Traums Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär beweisen. Je spleeniger die Charaktere, je abseitiger die Milieus, in denen sie sich behaupten, desto interessanter! Aber die Welt, in der tragische, brutale oder geniale Figuren nach oben strebten, gehörte bisher meist den Männern. Wie sich eine unterprivilegierte Hausfrau einen Namen macht, davon erzählt nun David O. Russells kuriose Aufstiegsbiografie „Joy“.

 

Das Drehbuch basiert auf der Lebensgeschichte von Joy Mangano, einer Selfmade-Unternehmerin, die ihr Imperium, so schräg und zugleich profan es klingt, auf der Erfindung eines speziellen Wischmopps aufbaute. Trotz ihres Namens hatte die dreifache Mutter vor ihrer steilen Karriere beim TV-Shoppingkanal QVC nur wenig zu lachen.

Krach und Scheidung

Russells Erzählung setzt mit einer exemplarischen Rückschau in Joys freudlose Kindheit in den Siebzigern ein, die vom permanenten Krach der Eltern und miesen ökonomischen Bedingungen überschattet wird. Gerade erwachsen, heiratet Joy (Jennifer Lawrence) den charmanten, dafür lebensuntüchtigen Musiker Tony (Edgar Ramirez), der nach der bald folgenden Scheidung im Keller des gemeinsamen Häuschens kampiert. Als wäre das nicht genug Ballast für die Beziehung der Ex-Partner, muss Joy auch noch ihre bis aufs Blut verfeindeten Eltern beherbergen.

Allein die Darstellung solch verwurstelter, stets prekärer Familienverhältnisse erfordert viel Geschick. Doch bereits hier läuft einiges schief. Denn Russell, der zusammen mit Annie Mumolo am wendungsreichen Drehbuch getüftelt hat, weiß nicht, wohin mit seinen ausgeflippten Figuren.

Lawrence hangelt sich durch

Obwohl sich Robert De Niro in der Rolle von Joys Vater und Isabella Rossellini als dessen Geliebte sichtlich Mühe geben, die unklar profilierten Charaktere zu erfassen, stagniert das sonst so versierte Spiel der Altprofis in der Findungsphase. Jennifer Lawrence hangelt sich dagegen verbissen von Emotion zu Emotion; entweder tobt, weint, trotzt oder marschiert ihre Joy durch jene unfaire Geschäftswelt, die sie am Ende allein mithilfe eines struppigen Kurzhaarschnitts und einer grimmig aufgesetzten Pilotenbrille bezwingt.

Russell findet weder zu Rhythmus, noch zu Ton und Stil. Während Joy im Trial-and-Error-Verfahren ihre Baumwollfäden endlich zu einem funktionstüchtigen Mopp bündelt, entgleitet dem einst gefeierten Regisseur von „American Hustle“ die im Ansatz witzige und skurrile Geschichte einer taffen Hausfrau im TV-Showbiz.

Joy - Alles außer gewöhnlich. USA 2015. Regie: David O. Russell. Mit Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Diane Ladd, Isabella Rossellini, Bradley Cooper. 123 Minuten. Ab 6 Jahren.