Sie sind im Vorentscheid für den Eurovision Song Contest, haben ihr Debütalbum in den Abbey Road Studios aufgenommen und machten auf ihrer Tour nun halt im Theaterhaus Stuttgart. Wer Cosima und Josepha Carl alias Joco am Sonntagabend verpasst hat, sollte es schnell nachholen - bevor sie ihre Intimität auf den großen Bühnen verlieren.

Stuttgart - Draußen ist es kalt, es schneit fast. Und man kann sich nur gut vorstellen, wie jede einzelne Flocke binnen Sekunden vom Himmel gleitet und ganz sanft zu Boden fällt. So wie bei der Popmusik von Josepha und Cosima Carl alias Joco. Jede neue Textphrase wird ganz leicht gesungen, wiederholt, bis die zweite Stimme einsetzt, bis daraus fast nur eine Stimme zuhören ist, die irgendwann tanzt - zwischen zwei Stimmen, die doch eine ist. Und das geht gut. Vor allem A Capella.

 

Das Geschwister Duo aus Norddeutschland zeigt am Sonntagabend im vollen Theaterhaus, dass zwei Gesangsstimmen und zwei Instrumente für eine impulsive Show genügen. Und das nicht mit Lautstärke, sondern mit der minimalen Verspieltheit in Instrumenten, Gesang und Performance. Die goldenen Akzente in ihrer Kleidung und am Körper schwingen dazu mit jeder Bewegung mit - die Bluse Josephas etwa oder die Augenlieder Cosimas. „This gravity, she hurts me“, diese Anziehungskraft, sie verletzt mich“, singt Josepha wiederholend, bis Cosima einsteigt. Der simple Satz wird nach und nach nun auch vom Piano aufgegriffen, bevor die Drums einsetzen - die zwei wichtigsten Instrumente der Band.

„Mr. Mountain“ ist am Sonntagabend nur ein Titel von ihrem just erschienen Debüt „Horizon“, der die Zuschauer in den Bann zieht - besonders hier lässt sich die schöne Metapher zum fallenden Schnee nicht meiden. „Dieser Song handelt von einem Berg, der glaubt stärker zu sein“, scherzt Cosima zu Beginn des Songs.

2015 nahmen die Schwestern Cosima und Josepha Carl alias Joco ihr Album auf. Produziert wurde es in den Abbey Road Studios, wo auch einst die Beatles aufnahmen. Ein besonders Highlight für Cosima und Josepha, die beide Musik in Holland studierten und dort ihr Stipendium für die Studioaufnahmen erhielten. „Paul McCartney hätte angeblich auch schon unser Album gehört“, sagt Josepha im Interview vor dem Konzert, „im letzten Jahr ist so viel passiert.“ In der Tat. Sie waren mit Van Morisson auf Tour, ihr Song „Full Moon“ ist im Vorentscheid für den Eurovision Song Contest und sie traten beim Eurosonic Noorderslag Festival in Holland auf. Ob das auch beeinflusst? Die Band verändert?

Überrascht, wenn der Song endet

Auf der Bühne sind Joco sehr authentisch. So ehrlich, dass man sich fast schon schämt während des Konzerts zu husten oder gar laut mitzusingen. Was nicht nur an der intimen Atmosphäre im Theaterhaus liegen mag. Jeder Song von Joco ist einerseits so simpel und andererseits in sich doch so energisch und verspielt, dass tatsächlich zwei Frauenstimmen und zwei Instrumente genügen. „Wir sind einfach, wie wir sind. Und wir müssen Musik machen - für uns ist das wie ein Ventil“, sagt Cosima während des Interviews, „wir brauchen Musik zur Verarbeitung und zum Ausdruck.“

Ganz besonders sei es für das Frauenduo, wenn Fans ihre Musik zur Verarbeitung von Erfahrungen nutzen. Wie beispielsweise die Liebesballade „Winter“, die auf Tour zuletzt großen Beifall in Frankreich erhielt. Obwohl dies der einzige deutsche Song auf ihrer Platte ist und der einzige Song mit Gitarre! „Manchmal genügt wohl die Stimmung. Das macht vielleicht das Geschwistersein aus“, sagt Josepha, „wir kennen uns sehr gut und wir lassen uns musikalisch aufeinander ein. Das macht die Erfahrung.“

Im Theaterhaus wird „Winter“ verträumt angenommen. Man bekommt jedoch oft nicht mit, wenn der Liedwechsel stattfindet. Man ist eher überrascht, wenn der Song endet. „Isolation of the Moment hits me“ - die Isolation des Moments überwältigt mich, heißt es in einem Song. Das ist wohl am treffendsten für den Abend im Theaterhaus, der nach knapp einer Stunde endet.

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