Im Gebäude in der Johannes-Daur-Straße 9 sollen Luxuswohnungen entstehen. Der Eigentümer will rund zwei Millionen Euro investieren, die Sanierungsarbeiten sollen Mitte des kommenden Jahres beginnen.

Korntal-Münchingen - In Korntal-Münchingen gibt es bei keinem anderen Gebäude so viel Unmut, Gerüchte und Spekulationen wie bei dem im Stadtteil Korntal in der Johannes-Daur-Straße 9. Vor drei Jahren ist der letzte Mieter ausgezogen, seitdem steht das fünfgeschossige, einstige Bankgebäude an der Ecke Feuerseeweg leer. Und verwahrlost zunehmend.

 

Drinnen lagert Baumaterial, draußen wuchern die Bäume wild. Aus den Briefkästen hängen vergilbte Zeitungen, an den Klingelschildern stehen noch die Namen ehemaliger Mieter. Viele Bürger bezeichnen das Gebäude deshalb als „Schandfleck“, zumal es sich neben der neu gestalteten Ortsmitte befindet.

Das Verhältnis zum Eigentümer – die Korntal Tower GmbH hat die Immobilie 2011 gekauft – beschreibt der Korntal-Münchinger Bürgermeister Joachim Wolf als schwierig, ebenso sei es die Kontaktaufnahme. Einige ehemalige Mieter haben die Firma schlecht in Erinnerung. Im Gespräch mit dieser Zeitung hat der Geschäftsführer Erdal Giritlioglu jetzt über die Pläne mit dem Gebäude gesprochen und Vorwürfe zurückgewiesen.

Gebäude soll Energie selbst erzeugen

Der 49-Jährige leitet die Korntal Tower seit Juli 2015 und führt im Raum Stuttgart weitere Immobilienunternehmen. Warum sein Vorgänger das Gebäude in der Johannes-Daur-Straße 9 all die Jahre vernachlässigt hat, dazu vermag Giritlioglu bloß mit den Achseln zu zucken. Er selbst habe sich unmittelbar nach seiner Amtsübernahme der Immobilie angenommen und eine Bauvoranfrage bei der Stadt eingereicht.

Giritlioglu hat ehrgeizige Pläne. Er will das Gebäude für rund zwei Millionen Euro sanieren und fünf bis sieben Eigentumswohnungen mit „hochwertiger Ausstattung“ einrichten. Die Luxuswohnungen sollen zwischen 150 und 250 Quadratmeter groß sein und pro Quadratmeter 4000 bis 6000 Euro kosten. „Auf dem Markt fehlen großzügige Wohnungen“, sagt Giritlioglu. Die Aufteilung der Wohnfläche überlässt er den Käufern. „Von der Tragwerkskonstruktion her ist alles möglich“, sagt der 49-Jährige.

Im Gespräch mit Banken

Ins Erdgeschoss ziehe im Idealfall wieder eine Bank ein. „Mit einigen Banken haben wir bereits gesprochen“, sagt Giritlioglu. Von der Landesbank Baden-Württemberg, die in Korntal eine BW-Bank als Filiale hat, heißt es dazu: „Unsere Immobilientochter hat die Räumlichkeiten angeschaut und unverbindlich geprüft.“ Giritlioglu sagt, dass er wieder auf die Banken zugehe, wenn klar sei, wann die Sanierung beendet sei.

Die Immobilie, die im Plan wie eine Kulisse aus einem Science-Fiction-Film anmutet, wird laut Giritlioglu ein „grünes Haus“: Die benötigte Energie produziere das Gebäude selbst, überschüssige Energie werde ins Netz eingespeist. Das soll mit Fotovoltaikanlagen in der Fassade, einem Blockheizkraftwerk und einer Zisterne gelingen. Mitte 2018 sollen die Sanierungsarbeiten beginnen, sagt Giritlioglu. „Wir rechnen mit einer Dauer von acht bis zehn Monaten.“ Derzeit verhandle er mit den entsprechenden Unternehmen.

Die Kommune begrüßt das Projekt der Korntal Tower. Weil ihr die Immobilie nicht gehört, kann sie die Entwicklung nur machtlos mit ansehen. „Wir sind froh, wenn jemand das Gebäude endlich in einen ansehnlichen Zustand bringt und wieder belebt“, sagt Bürgermeister Wolf. Giritlioglu will den Bauantrag Anfang 2018 stellen. „Wir warten schon lange darauf. Doch wir wurden immer vertröstet“, sagt Wolf. Ist der Bauantrag „deckungsgleich“ mit der Bauvoranfrage, stehe der Baugenehmigung nach einer Prüfung nichts im Weg.

Stadt wollte Objekt kaufen

Im Zuge der Neugestaltung der Korntaler Ortsmitte wollte die Stadt das Objekt kaufen. „Es gab Überlegungen, an verschiedenen Stellen Platz zu schaffen für einen Vollsortimenter, der sich später an der Goerdelerstraße ansiedelte“, sagt Stefan Wolf, der Fachbereichsleiter Stadtentwicklung. Bis 2010 sei dafür auch die Johannes-Daur-Straße 9 mit benachbarten Grundstücken im Gespräch gewesen. Der Kauf scheiterte, weil der damalige Eigentümer mehr Geld verlangte, als die Stadt bereit war zu zahlen. Auch dieser Besitzer hatte sich als schwer zugänglich entpuppt. Laut Wolf habe er nur über Dritte mit der Stadt kommuniziert.

Die Gesamtsituation sorgt für Spekulationen. Die Korntal Tower sei pleite, vermuten einige Bürger. Andere glauben, man spekuliere mit dem Millionen-Objekt. Wieder andere munkeln, dass die Mobilfunkantennen auf dem Dach lukrativ genug seien. Auch von Schrotthandel ist die Rede: Bürgern zufolge lade ein Transporter regelmäßig Elektrogeräte auf und ab. Der Unmut ehemaliger Mieter, die froh seien, „die Notbremse gezogen zu haben und ausgezogen zu sein“, befeuert die Gerüchte.

Frieren bei sieben Grad im Büro

Sie berichten zum Beispiel von kalten Wintern ohne Heizung. Laut eines Mieters sei im Herbst 2013 die Ölheizung ausgefallen. „Man empfahl uns daraufhin, dass wir die Heizung ja selbst reparieren lassen und neues Heizöl kaufen können“, sagt er. Wie die anderen im Gebäude habe er sich bis zu seinem Auszug Ende 2013 einen Elektroheizer aufgestellt. „Bei einer Raumtemperatur von sieben Grad und wegen der Feuchtigkeit sind uns sogar Geräte kaputtgegangen“, erzählt ein ehemaliger Mieter, der mehr als 14 Jahre in der Johannes-Daur-Straße 9 gearbeitet hat.

Er spricht von einem „bewussten Gebäudeverfall“, der 2011 begonnen habe. „Es gab plötzlich keine Reinigungskraft mehr, auch der Hausmeister kam nicht mehr.“ Ein dritter ehemaliger Mieter berichtet, dass ihm der Strom abgedreht worden sei. „Die wollten ihre Mieter raus haben.“

Giritlioglu schüttelt darüber den Kopf. „Wir verstehen das Nachtreten nicht. Die Heizung hat bis zum Schluss funktioniert.“ Der Knackpunkt seien die hohen Betriebskosten gewesen: 2011 seien drei Viertel der Fläche leergestanden, es habe nur noch vier Mieter gegeben, die als Folge hohe Nebenkosten zahlen mussten. „Wir haben uns daher mit den Mietern einvernehmlich auf die Aufhebung beziehungsweise Nicht-Verlängerung der Mietverträge geeinigt“, sagt Giritlioglu. „Der ärgerliche Mietausfall“ sei aufgrund der positiven Marktentwicklung zu verkraften. Angesichts der geplanten Sanierung habe sich eine zeitweise Vermietung der Büros nicht gelohnt. Die 1500 Euro, die er jeden Monat für die Mobilfunkantennen auf dem Dach bekomme, fingen den Mietausfall kaum auf. Giritlioglu gibt allerdings zu: „Um einen Gärtner könnte ich mich wirklich mal kümmern.“

Die Vergangenheit der Johannes-Daur-Straße 9

Bankneubau Die Immobilie ist 1967 als Neubau der Feuerbacher Volksbank entstanden. Die Planung begann 1965, die Einweihung war am 25. Juni 1969. „Das Gebäude wurde mit der wenige Wochen zuvor eingeweihten Teichwiesenschule als neues Zentrum der Innenstadt gefeiert“, sagt der Stadtarchivar Alexander Brunotte. In einem Zeitungsartikel heißt es: „Bürgermeister Werner Thrum wertete den Neubau als Impuls für die Stadterneuerung.“ Daher habe er die Einweihungsfeier als Auftaktveranstaltung für die Feiern zum 150-Jubiläum-Jubiläum der Stadt Korntal gesehen, sagt Brunotte. Vier Jahre vorher hatte die Feuerbacher Volksbank neben der Post eine Behelfszweigstelle errichtet.

Vorgänger Laut Stadtarchivar stand zuvor an jener Stelle das 1894/95 als eines der ersten Gebäude in der damaligen Bahnhofstraße (heute Johannes-Daur-Straße) von Rudolf Gmelin errichtete Wohnhaus. Gmelin war seit 1889 Ortsarzt von Korntal, von 1897 an auch von Münchingen. 1966 wurde das Gebäude abgerissen.

Eigentümerwechsel In der Vergangenheit gab es mehrere Eigentümerwechsel, die sich – auch aus Datenschutzgründen – schwer nachvollziehen lassen. Der Stadt Korntal-Münchingen gehörte das Gebäude nie. Die Bank verkaufte es viele Jahre später und zog mit ihrer Filiale im Erdgeschoss um.