Das Kurpfälzische Museum Heidelberg würdigt in der Ausstellung „Imagine: John Lennon“ das Leben des Jahrhundertmusikers von den Beatles.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Heidelberg - Neben vielen anderen Talenten verfügte John Lennon auch über die Gabe, die Dinge in feines britisches Understatement zu kleiden. „Wir waren einfach eine Band, die ganz groß herausgekommen ist – das ist alles“, hat er etwa über die Beatles gesagt. So kann man natürlich auch über die bedeutendste Popband aller Zeiten sprechen, und wenn man eines ihrer Mitglieder war, dann darf man vielleicht sogar derart tiefstapeln. Einen Grund dafür hat der große Songwriter bekanntlich nicht, und warum das so ist, führt nun sehr sehenswert die aktuelle Sonderausstellung „Imagine: John Lennon“ im Kurpfälzischen Museum Heidelberg vor.

 

Sie bietet einen kompletten Abriss des leider viel zu kurzen Lebens des britischen Jahrhundertgenies, und sie illustriert alle Facetten seines Schaffens. Gezeigt werden viele der teils schon längst ikonografisch gewordenen Lennon-Fotografien etwa eines Bob Gruen; den langjährigen lichtbildnerischen Wegbegleitern sind eigene Wände gewidmet. Ausführlich wird – unter anderem mit vielen Originalen, die Lennons erste Frau Cynthia zur Verfügung gestellt hat – jedoch auch das zeichnerische Werk Lennons vorgestellt, das künstlerisch zwar längst nicht an sein musikalisches Œuvre heranreicht, doch vorführt, dass John Lennon nicht grundlos an der Liverpooler Kunsthochschule studiert hatte. Ein weiterer Schwerpunkt der Schau ist Lennons Wirken als Dichter, der nicht nur viele Texte für die Beatles, sondern auch Lyrik geschrieben hat. Das dritte Augenmerk widmet sich Lennons Selbstverständnis als politischer Aktivist, einer Rolle, die er insbesondere mit seiner späteren zweiten Frau Yoko Ono inbrünstig ausfüllte.

Ein vielfältig talentierter Künstler

Und die Musik? Sie wird natürlich auch gebührend gewürdigt. Von den Anfängen in Liverpool und vor allen Dingen in Hamburg über die in der Rückschau grotesken Ausmaße der „Beatlemania“ bis zum Ende der Band im Jahr 1970. Sowie von den Anfängen als Solokünstler mit „Give Peace A Chance“ und „Instant Karma!“ bis zum vorläufigen Ende mit „Double Fantasy“ – dem jähen Schlusspunkt in der Diskografie dieses Musikers, der noch so viele Pläne hatte. Diese letzte künstlerische Phase, verbunden mit der hypothetischen Fragestellung, was musikalisch noch alles hätte kommen können, wird in der Ausstellung wie auch einige andere Details (etwa seine langjährigen Drogenprobleme) etwas unterbelichtet, wie überhaupt der visuellen Darstellung gegenüber dem Sonischen deutlich der Vorrang eingeräumt wird. Dass John Lennon verklärt würde, kann man dem Panoptikum aber mitnichten unterstellen. Auch eher pikante Episoden wie jene, als er in Begleitung der Polizei auf allen vieren aus einem Bordell in Amsterdam kroch, bleiben nicht unerwähnt.

Was die Ausstellung allerdings besonders interessant macht, sind die Einblicke in das Seelenleben des Musikers, die auf vielen Tafeln in Lennon’schen Zitaten gewährt werden. Sie zeigen, musikhistorisch sehr aufschlussreich, einen Künstler, der keineswegs ein geborenes Naturtalent war, sondern sich in Sachen Songwriting vieles mühevoll aneignen musste. Sie offenbaren einen Lennon, der schon früh zutiefst von den Mechanismen des Musikbusiness frustriert und auf das Livegeschäft regelrecht wütend war. Sie stellen ihn selbstzweifelnd und den eigenen Wert ganz anders einschätzend als die Legionen durchdrehender Fans dar („Von unseren besten Sachen, als wir noch eine Rock-’n’-Roll-Band waren, existieren gar keine Aufnahmen – danach war unsere Musik tot“). Und sie zeigen einen Musiker, der einerseits trotz seiner sanften Seele durchaus selbstbewusst auftreten konnte, andererseits aber häufig mit seinem öffentlichen Bild und letztlich auch mit sich selbst gerungen hat.

Mit dem Attentat am 8. Dezember 1980 findet alles ein Ende. Als Lennon, um sein Bewusstsein ringend, vor dem New Yorker Apartmenthaus lag, fragte ihn ein Schutzmann, ob er wisse, wer er sei. Der Polizist wollte nur Lennons Vitalfunktionen überprüfen – aber ungewollt, das lehrt diese Ausstellung, hat er vielleicht die alles entscheidende Frage gestellt, die über diesem Künstlerleben schwebte.

Bis 25. Juni,
Di bis So 10 bis 18 Uhr