Vom Stuttgarter Norden aus ließ Jongky Goei die „Puppen tanzen“. Nun geht er nach Berlin.

Feuerbach - Sportlich frisch und beweglich wie ein Athlet, der sich gut gehalten hat, wirkt Jongky Goei. Jugendlich übermütig sein Lachen, eine helle Freude die Begeisterung, wenn er mit leuchtenden Augen und blitzendem Temperament aus der Fülle eines reichen Lebens erzählt. Im Grunde könnte er sich, da er knapp die 60 streift, langsam zurücklehnen und an den Ruhestand denken. Stattdessen bricht Jongky Goei noch einmal auf, auch wenn er sich dafür „mit blutendem Herzen“ aus seinem „geliebten Stuttgart losreißen“ muss.

 

Die Wurzeln zur Stadt reichen tief – und sie haben ihren ersten Nährboden im Norden. Im Pfarrhaus in der Feuerbacher Rhönstraße. Dort ist der Sohn chinesischer Eltern gelandet, als er vor 38 Jahren als 20-Jähriger aus Indonesien aufbrach, um in Stuttgart Klavier zu studieren. Und wenn das Stuttgarter Ballett dann der Fixpunkt seines Schaffens wurde, blieb Feuerbach doch wichtig für Jongky Goei, auch von seinem Domizil aus am oberen Killesberg: „Ich gehe nach Feuerbach zum Einkaufen. Zu Fuß bin ich in zehn Minuten in der Stuttgarter Straße, wo ich alles finde, was ich brauche. Am liebsten gehe ich am Hang über der Weilimdorfer Straße spazieren. Durch den Weinberg mit dem herrlichen Panorama-Blick.“

Er schätzt die Treue der Stuttgarter

Abstecher macht er auch nach Botnang, nicht zuletzt in die Bäckerei Klinsmann, wo ihm „Jürgens Mama“ die Treue mit einem besonderen Geschenk gelohnt hat: mit dem doppelt signierten Image-Plakat des Landes, auf dem „Klinsi“ Marcia Haydée schultert. So wird das „Abschiedsgespräch“ über eine lange Strecke zu einer warmherzigen Hommage an Stuttgart – und an die Schwaben. Was er an seiner zweiten Heimat so schätzt? Jongky Goei wird nachdenklich, dann sprudelt es aus ihm heraus: „Viele Eigenschaften, die ich vorher nicht gekannt habe. Vor allem die Treue. Es ist nicht so leicht, hier Freundschaft zu finden. Aber wenn man sie hat, dann hat man sie ein Leben lang. Ich habe hier sehr viele Freunde gefunden.“ Nicht zu vergessen: „schwäbische Tugenden wie Pünktlichkeit und Aufrichtigkeit“.

Was den Chinesen zudem so lange bei den Schwaben gehalten hat? „Marcia Haydée. Sie ist die wichtigste Begegnung in meinem Leben. Sie hat mich berufen.“ Was durchaus ein wenig traumhaft war: Als Klavierlehrer der John Cranko-Klavierschule hatte Goei einen Choreografen begleitet: „Danach hat sie mich angesprochen. Als Tänzerin war sie rund um die Welt aktiv, aber noch nie in Indonesien. Ich sollte ihr eine Tournee organisieren.“ Goei schnippt mit den Fingern: „Und da war ich drin!“

„Chinesen, Japaner und Koreaner lieben das Ballett“

Er hat zwar weiter unterrichtet, aber auch eine „Agentur für Bühnenkunst und Gastspiele“ gegründet und so nicht unwesentlich dazu beigetragen, das Stuttgarter Ballettwunder hinaus in die Welt zutragen. Vor allem in den asiatischen Raum: „Chinesen, Japaner und Koreaner lieben das Ballett.“ Daneben hatte er die Idee zu einer Pioniertat, fußend in dem, was er auch heute noch als Klavierlehrer am liebsten tut: „Begabte junge Leute fördern“. Mit einer Truppe aus dem Corps de ballet tingelte er durchs Ländle: „Ein Riesenerfolg! Marcia hat geleuchtet. Und was ist daraus geworden? Stars von heute.“ Soe Jin Kang und Ivan Cavallari etwa oder die Stuttgarter Julia Krämer und Roland Vogel. Namen, die ebenso in die Hochebene der Ballettkunst führen wie ein Gang durch die Plakatlandschaft in Goeis Wohnung, mit von ihm organisierten Tourneen internationaler Spitzenensembles.

Weshalb er nun aber Stuttgart verlässt? „Weil ich das Gefühl habe, dass mein Leben Wiederholung wird. Das macht mir Angst. Ich brauche eine Herausforderung, etwas Neues. Da ist Berlin genau richtig.“ Sang- und klanglos werden ihn seine Stuttgarter Freunde nach mehr als 20 Jahren voller Verdienste aber nicht ziehen lassen. So gibt es am Freitag, 20. Juni, 20 Uhr, in der Liederhalle eine Abschiedsgala mit einem prominenten Stelldichein. Etwa mit Solisten des Stuttgarter Staatsballetts und mit erfolgreichen jungen Künstlern aus Musik und Tanz, die sich Jongky Goei verbunden fühlen. Ein Highlight des Abends: der Auftritt von Kimin Kim, der eben beim „Youth American Grand Prix“ in New York Furore machte und schon beim berühmten Mariinsky-Ballett in St. Petersburg tanzt. Und selbstredend gibt sich auch die große Marcia Haydée die Ehre.

Stuttgart wird Jongky Goei übrigens verbunden bleiben. Etwa mit dem „Ball der Nationen“. Gut möglich, dass er dann eine alte Gewohnheit aufgreift: „Wenn ich von irgendwo von der Welt in Stuttgart ankomme, kaufe ich mir als erstes eine Brezel. Dann bin ich wieder ein Stuttgarter.“