Gehaltserhöhung von 1,5 Prozent und Einmalzahlungen: Darauf haben sich Zeitungsredakteure und Verleger geeinigt. Nicht alle sind zufrieden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Hamburg - Es hat einer 17-stündigen, aufreibenden Verhandlung durch die Nacht hindurch bedurft, um einen Arbeitskampf in der Zeitungsbranche zu befrieden, der nie zuvor so erbittert geführt worden ist. Gegen sechs Uhr am Donnerstag stand fest: Die 14.000 Redakteure erhalten - ungeachtet der guten Gesamtkonjunktur und abweichend von anderen Branchen - eine bescheidene lineare Gehaltserhöhung von 1,5 Prozent, wenn auch erst im Mai 2012 und für insgesamt drei Jahre. Denn einen Nachschlag für die letzten zwölf Monate, in denen bereits verhandelt wurde, gibt es nicht.

 

In ersten Stellungnahmen zeigen sich Verdi und der Deutsche Journalistenverband (DJV) ähnlich zufrieden wie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der nun Planungssicherheit für die Verlage gewährleistet sieht. Letztendlich entspricht die Gehaltsvereinbarung aber den Erfahrungen aus der Vergangenheit. Schon häufiger haben die Arbeitgeber eingangs gravierende Einschnitte ins Tarifwerk gefordert, um am Ende mit einer mageren Lohnanhebung davonzukommen. Dies hat dazu geführt, dass die Einkommen der Redakteure seit Langem hinter der Preissteigerungsrate zurückbleiben; dieser Trend wird mindestens bis 2013 anhalten.

Insofern äußerten am Donnerstag viele Redakteure in Konferenzen und Internetforen ihre Enttäuschung über den Hamburger Tarifabschluss - vor allem die Journalisten, die mehr als 30 Tage lang gestreikt hatten. Der Widerstand war von den Redaktionen in Baden-Württemberg ausgegangen. Und erst auf Druck der streikenden Belegschaften im Südwesten zeigten sich die zögerlichen Gewerkschaften - vor allem der DJV - willens und fähig, auch in anderen Ländern Arbeitsniederlegungen zu organisieren. Nach Nordrhein-Westfalen schlossen sich sehr spät Redaktionen in Bayern oder Hessen an. Die Dynamik führte dazu, dass am letzten Verhandlungstag bundesweit doch 2000 Journalisten an dem fantasievoll geführten Arbeitskampf teilnahmen.

Viele Redakteure äußerten sich enttäuscht

Dass bei den meisten Streikenden am Donnerstag trotz allem die Erleichterung überwog, hat mit dem ursprünglichen Forderungskatalog der Verleger zu tun, der weitgehend abgewehrt wurde. Entschlossener denn je war der BDZV in den Konflikt gezogen. Ganz oben auf seiner Liste stand der Wunsch, Berufseinsteiger zu deutlich ungünstigeren Konditionen einzustellen. Darin sahen die Redakteure eine Entwertung des gesamten Berufsstandes. Guter Journalistennachwuchs könnte weiter abgeschreckt werden. Nichts hat sie - zur Überraschung der Arbeitgeber - so aufgebracht wie das sogenannte "Dumping-Tarifwerk".

Dass es gänzlich verhindert wurde, feiern die Gewerkschaften als Erfolg. Abgehakt ist es aber nicht: Die Notwendigkeit, ein solches Tarifwerk zu schaffen, bleibe für die Zukunft bestehen, verkündet BDZV-Verhandlungsführer Werner Hundhausen bereits. "Es war unsere Absicht, eine ergänzende Plattform für Berufseinsteiger mit maßvoll abgesenkten Tarifen abzuschließen, in die auch die Onlineredakteure integriert werden sollten", sagte er. "Wir bedauern, dass die Gewerkschaften diesen Weg nicht mitgehen wollten."

Dies lässt für die Zukunft eine Neuauflage des Streits befürchten, wenn den durch das Internet forcierten Auflagen- und Anzeigenverlusten nicht anders begegnet wird. Es kann aber auch sein, dass 2013 und 2014 kein bundesweiter Streik mehr nötig ist, weil der Flächentarif sich weiter auflöst. Immer mehr Verlage verlassen die Tarifbindung, die in Baden-Württemberg zwar 75 Prozent beträgt, andernorts aber kaum noch vorhanden ist. Die Erosion erschwert es den Gewerkschaften, aus dem Abwehrkampf in die Offensive zu kommen. Schon im Frühjahr 2012 wollen sie daher über neue Strategien für 2013 beraten.

Mit einer Neuauflage des Streiks ist zu rechnen

Die uneinheitlichen wirtschaftlichen Bedingungen in der Fläche reißen längst auch tiefe Gräben in den Verlegerverband. Bis in die Nacht hinein verfolgten die BDZV-Verhandlungsführer wieder Forderungen, die schon abgeräumt schienen. Dann erst setzten sich die gemäßigten Kräfte gegen die Hardliner aus dem Norden durch. Die Sondierungsgespräche des streikgeplagten Südwest-Verlegerverbandes hatte den Friedensschluss erst möglich gemacht. Von einer "katastrophalen Eigen-PR" ist auf Arbeitgeberseite hinter vorgehaltener Hand die Rede. Es sei ein "Dilemma", wie sich die Branche nach außen dargestellt habe.

Das Tarifabkommen für die Zeitungsredakteure

Gehaltserhöhung: Am 1. Mai 2012 steigen die Gehälter um 1,5 Prozent. Jeweils zum 1. Oktober 2011 und zum 1. Februar 2013 erhalten die Redakteure eine Pauschale in Höhe von 200 Euro. Die Honorare der freien Journalisten sollen zum 1. Oktober 2011 und 1. August 2012 um jeweils zwei Prozent angehoben werden. Die Laufzeit des Gehaltstarifvertrags endet am 31. Juli 2013. Die Online-Redakteure werden nicht in das Tarifwerk eingebunden.

Öffnungsklausel: 2012 und 2013 können die Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) per Betriebsvereinbarung bei „Nachweis einer die Beschäftigung gefährdenden wirtschaftlichen Situation“ um maximal die Hälfte eines Monatsgehalts verkürzt werden, sofern auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet wird. Bei tieferen Einschnitten, sollten sie wirtschaftlich notwendig sein, müssen die Gewerkschaften zustimmen.

Berufseinsteiger: Ein abgesenktes „Tarifwerk II“ für neu einzustellende Redakteure wurde verhindert. Die Verleger hatten zuletzt gefordert, dass diese im ersten Jahr 3000 Euro (bis jetzt 2987 Euro) bekommen sollten, vom fünften Jahr an 3300 Euro (3467 und 4000) und vom zehnten Berufsjahr an 4200 Euro (4401 Euro). Ursprünglich wollten sie noch weiter absenken und insgesamt bis zu 25 Prozent bei den Jungredakteuren einsparen.