An diesem Samstag findet in Esslingen die Endrunde um die deutsche Judo-Meisterschaft statt – mit den Lokalmatadoren des KSV. Die wollen nach vier Vizemeisterschaften endlich den Titel, nachdem Serienmeister Abendberg fehlt.

Esslingen - Vizemeister, was einst den Fußballern von Bayer Leverkusen eher fragwürdig am Etikett geheftet hat, kann der KSV Esslingen nahtlos übernehmen. Schon viermal nacheinander ist der Judo-Bundesligist deutscher Mannschaftsvizemeister geworden. Von Mal zu Mal wurde es zwar knapper und knapper im Finale, von wirklichen Titelchancen konnte bisher aber keine Rede sein. Das soll sich ändern. Am Samstag könnte nicht nur für den gesamten Verein sowie die Bundesligamannschaft ein langersehnter Traum in Erfüllung gehen, sondern auch für den 24-jährigen Judoka Felix Kurz.

 

Denn dem Esslinger Eigengewächs bietet sich bei der Bundesliga-Endrunde nicht nur die Möglichkeit, erstmals den Mannschaftmeistertitel in der Vereinsgeschichte des KSV zu gewinnen, sondern das auch noch vor heimischem Publikum. In den vergangenen vier Jahren war Kurz stets bei der Endrunde im bayrischen Abensberg mit dabei – und hat jedes Mal miterlebt, wie sein Verein die Heimreise am Ende als Zweiter angetreten hat.

Die Judo-Hochburg fehlt

Den großen Coup hat stets der 13 Jahre lang ungeschlagene deutsche Rekordmeister TSV Abensberg verhindert. Jetzt haben sich die Vorzeichen geändert, denn die Endrunde findet ohne den Serienmeister statt. Aufgrund der anstehenden Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro haben sich die Verantwortlichen in der deutschen Judo-Hochburg dazu entschlossen, ihren Nationalkämpfern bis dahin nicht mehr als nötig zuzumuten und daher vor Saisonbeginn den – vorübergehenden – Rückzug aus der Bundesliga verkündet. Die Meinungen über den Wert des diesjährigen Titels sind deshalb gespalten – für Kurz tut das aber nichts zur Sache: „Der Titel hat für mich den gleichen Wert, egal, ob die Abensberger dabei sind oder nicht. Deutsche Meisterschaft ist deutsche Meisterschaft, schließlich können wir nichts dafür, dass sie zurückgezogen haben.“

Im Alter von neun Jahren entdeckten Felix Kurz und sein Zwillingsbruder Andreas den Judosport für sich. „Wir waren zu Hause schon immer am Raufen, da war der Weg zum Judo nicht mehr weit“, sagt der mittlerweile 24-Jährige. Seither stehen er und sein Bruder, der seit 15 Jahren gleichzeitig sein Technikpartner ist, fast täglich auf der Matte und trainieren. Bereits als Kind hat der gebürtige Esslinger davon geträumt, eines Tages ein Teil der ersten Mannschaft zu werden.

Vor acht Jahren ist dieser Traum mit zunächst vereinzelten Einsätzen wahr geworden. Seit drei Jahren gehört Kurz nun zum Stammkader in der Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm und ist nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken. Bei der vergangenen Endrunde sorgte er beim 6:7-Rückstand sogar für den alles entscheidenden Sieg im letzten Einzelkampf des Halbfinales gegen Großhadern, der dem KSV erst den Einzug ins Finale ermöglichte.

1200 Zuschauer werden erwartet

„Es wäre der Höhepunkt meiner Karriere, wenn wir das Ding vor 1200 Zuschauern zu Hause gewinnen“, sagt der Maschinenbaustudent. „Das kann ich mir noch nicht vorstellen. Für mich hat die Bundesliga immer noch ihren speziellen Reiz, auch im achten Jahr. Es ist für mich nicht selbstverständlich dabei zu sein und macht mich immer noch stolz.“ Etwa 15 Stunden pro Woche trainiert er dafür. „Den Titel zu Hause zu gewinnen, wäre wirklich etwas ganz besonderes.“ Was die Bundesliga betrifft, ist Kurz in diesem Jahr auf seinem bisherigen Höhepunkt angekommen, denn mit sieben von acht gewonnenen Einzelkämpfen ist er momentan so erfolgreich wie noch nie – optimale Voraussetzungen also, um die ohnehin hervorragende Saison zu krönen.

Bevor an den Meistertitel oder das Finale gedacht werden kann, muss sich der KSV aber zunächst einmal am heutigen Samstag im Halbfinale beweisen. Im ersten Kampf des Tages werden sich das Hamburger JT sowie der TSV Großhadern gegenüberstehen (10 Uhr). Im Anschluss treffen dann der KSV Esslingen und der JC Ettlingen aufeinander (11.30 Uhr). Die Sieger beider Begegnungen ziehen ins Finale (15.30 Uhr) ein. So oder so: ein neuer Meister wird am Samstagabend auf jeden Fall gekürt – und Esslingen wäre nicht böse, wenn endlich der Zusatz „Vize“ gestrichen wäre.