Ein Ex-Funktionär des Israelitischen Kultusgemeinde hat jetzt einen Strafbefehl wegen Untreue erhalten. Und obwohl bereits seit dem Sommer 2015 eine Anklage gegen den 2013 seines Amtes enthobenen Vorsitzenden der Gemeinde vorliegt, lässt das Hauptverfahren auf sich warten.

Baden-Baden - Mit etwa 740 Mitgliedern zählt die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Baden-Baden zu den größeren Gemeinden der jüdischen Religionsgemeinschaft im badischen Landesteil. Zuletzt machte die Gemeinde vor allem durch Vorwürfe wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder Schlagzeilen. Wie jetzt bekannt wurde, ist gegen einen früheren Funktionär ein Strafbefehl wegen Untreue erlassen worden.

 

Bereits seit dem Sommer 2015 liegt auch eine Anklage gegen den 2013 seines Amtes enthobenen Vorsitzenden der Gemeinde vor: das Hauptverfahren lässt jedoch auf sich warten. Dabei hat die zuständige Staatsanwaltschaft Baden-Baden ihre Arbeit offenbar längst abgeschlossen.

Während gegen den Strafbefehl, bei dem es um einen Schaden von rund 25 000 Euro geht, nach Angaben des Amtsgerichts Einspruch erhoben wurde, bleibt undurchsichtig, warum das Hauptverfahren gegen den mutmaßlichen Hauptverdächtigen, den früheren Vorsitzenden der IKG, auch nach 15 Monaten noch nicht eröffnet wurde. Der Verdacht der Verschleppung steht im Raum. Der Anwalt des Angeklagten äußert sich dazu jedoch nicht.

Dabei erhofft man sich in Baden-Baden bald eine vollständige rechtliche Aufarbeitung. Nach fast drei Jahren Fremdverwaltung hatte die jüdische Gemeinde im Februar mit der Wahl eines neuen Vorstands den Neustart gewagt. Die im Juli 2015 erhobene Anklage gegen den früheren Vorsitzenden Benjamin V. wurde bei der Großen Strafkammer des Landgerichts eingereicht: im Fall einer Verurteilung müsste er mit vier oder mehr Jahren Haftstrafe rechnen. Der Vorwurf umfasst Untreue in 17 Fällen, davon in drei Fällen mit Urkundenfälschung, sowie Betrug in einem weiteren Fall. Besonders schlagzeilenträchtig war die Zweckentfremdung von 80 000 Euro, die der Oberrat in Karlsruhe der Baden-Badener Gemeinde zur Sanierung des jüdischen Friedhofs zugewiesen hatte. Auch von missbräuchlicher Nutzung „mehrerer Pkw der Oberklasse“ war die Rede.

Das Kultusministerium hat die Finanzen überprüft

In der Folge dieser Vorgänge wurden auf Veranlassung des Kultusministeriums in Stuttgart, in Abstimmung mit dem Oberrat, die Finanzen aller badischen Gemeinden überprüft. Das ist jedoch abgearbeitet, die Vorwürfe längst vom Tisch. Auch die Fremdverwaltung der IKG ist beendet.

In der Folge der im Juli 2015 erhobenen Anklage ermittelte die Staatsanwaltschaft aber gegen einen weiteren Beteiligten: Der ehemalige Funktionär der Gemeinde, bei dem es sich nach Informationen dieser Zeitung um den einst im Streit ausgeschiedenen früheren zweiten Vorsitzenden Andreas H. handelt, erhielt einen Strafbefehl wegen Untreue in einem konkreten Fall. Über die Höhe des Strafbefehls macht die Staatsanwaltschaft keine konkreten Angaben. Er solle als Sühne „mehrere Nettomonatseinkommen“ zahlen. 17 weitere Vorwürfe wurden „mangels hinreichendem Tatverdacht“ eingestellt. Der Beschuldigte hat nach Informationen aus dem Oberrat offenbar inzwischen alle Kontakte zu den jüdischen Gemeinden abgebrochen.

Laut der Staatsanwaltschaft ging es damals um den fingierten Abschluss von zwei Bausparverträgen, die jeweils 2,5 Millionen Euro Ansparsumme umfassen sollten. Mehr als die jeweils erste Rate von je 20 000 Euro, zu Lasten der jüdischen Gemeinde Baden-Baden, wurde jedoch nie eingezahlt – dafür flossen aber 12 000 Euro Provision „auf die Konten guter Freunde“. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem „sinnlosen Abschluss“. In einem Hauptverfahren könnte Beobachtern zufolge noch manches Neue über das Zusammenspiel der Hauptbeteiligten ans Licht kommen.