Jürgen Kramny hofft, nicht nur für ein Spiel Bundesligatrainer zu sein, der Sportvorstand Robin Dutt hält sich bedeckt, und die Spieler des VfB Stuttgart sagen lieber gar nichts.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Nicht lachen, konzentriert trainieren und kein Wort zu den Medien: die Profis des VfB Stuttgart wissen ganz genau, wie man sich am Tag eins nach einer Trainerentlassung zu verhalten hat. Sie können in dieser heiklen Angelegenheit schließlich auch auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen.

 

Am Dienstag wurde Alexander Zorniger nach nicht einmal fünfmonatiger Amtszeit vor die Tür gesetzt. Am Mittwoch leitet Jürgen Kramny zum ersten Mal das Training beim Tabellensechzehnten der Fußball-Bundesliga – nach einer mittlerweile zur Gewohnheit gewordenen Stuttgarter Trennung. Eine solche Übungseinheit läuft dann immer nach demselben Schema ab – ein VfB-Klassiker sozusagen. Die Spieler, die unter dem gerade vor die Tür gesetzten Trainer außen vor waren, sind plötzlich wieder mittendrin und setzen deutlich erkennbare Zeichen in Richtung des Neuen.

Georg Niedermeier zum Beispiel, der unter Zorniger kalt gestellte Innenverteidiger, läuft heiß und erzielt im Trainingsspiel auch gleich ein Tor. Das registriert ein Trainer, ebenso wie die Wahl der Kleidung. Niedermeier gehört bei Temperaturen unwesentlich über dem Gefrierpunkt zu den wenigen VfB-Spielern, die in kurzen Hosen zur Arbeit erscheinen. Ich bin bereit, soll das aus dem Fußballerischen ins Deutsche übersetzt heißen.

Ist Kramny vielleicht doch ein langfristiger Kandidat?

Aber natürlich wird an diesem Tag beim VfB noch viel mehr auf den Nachfolger von Alexander Zorniger geachtet. Und wie der eine oder andere Spieler muss sich auch der als Trainer der zweiten VfB-Mannschaft hoch beorderte Jürgen Kramny gleich positionieren. Als Interimscoach für das eine Spiel am Samstag in Dortmund oder vielleicht doch als Kandidat für einen längeren Zeitraum?

„Es wurde mir vom Verein kein zeitliches Limit vorgegeben“, sagt der 44-Jährige, und der Verein nickt – beziehungsweise Robin Dutt. Bei der Pressekonferenz sitzt der VfB-Sportvorstand neben Kramny und fügt an: „Wir arbeiten mit Nachdruck an einer langfristigen Lösung.“ Ausschließen will und kann es Dutt dann nicht, dass die Antwort auf die offene Personalfrage möglicherweise Jürgen Kramny heißt. „Es ist eine Zeichen von Wertschätzung, dass wir ihn jetzt mit dieser Aufgabe betraut haben“, sagt der durch das Scheitern Zornigers selbst stark unter Druck geratene Manager: „Jürgen Kramny darf diese Aufgabe als Chance sehen.“

Die Chance, von der Interims- zur Dauerlösung aufzusteigen, ist allerdings nicht gerade riesengroß. Der neue Mönchengladbacher Cheftrainer Andre Schubert musste dafür siebenmal in Folge gewinnen, bis ihm das Vertrauen ausgesprochen wurde. Jürgen Kramny ist da eher skeptisch, dass ihm dieses Kunststück auch gelingt, zumal ihn sein erstes Spiel als Bundesligatrainer gleich nach Dortmund führt. „Dort habe ich als VfB-Profi mein erstes Tor gemacht“, so macht sich Kramny Mut.

Guten Karten hat Tayfun Korkut

Mut machen will er aber in erster Linie seinen Spielern, die zuletzt beim 0:4 gegen Augsburg völlig verunsichert wirkten. Das scheint ihm auch wichtiger zu sein, als die unter Zorniger geführte Taktikdiskussion aufzunehmen. „Wir müssen kompakter stehen, die Abstände zum Mitspieler verkürzen, die Räume enger machen“, sagt Kramny nur. „Ich suche jetzt die bestmögliche Variante und versuche, eine eigene Note mit einzubringen, mein Spielstil ist von Aktivität geprägt, aber am Ende zählen die Punkte.“ Sollten überraschenderweise in Dortmund welche herausspringen, wäre es ganz sicher schwer zu erklären, Kramny gleich wieder in die zweite Reihe zurückzubeordern. Robin Dutt sagt: „Der Verein steht voll hinter dem neuen Trainerteam um Jürgen Kramny.“ Als Assistenten bekommt der frühere Profi von Mainz 05 und Zimmerkollege von Jürgen Klopp den bisherigen VfB-U-17-Coach Kai Oswald zur Seite gestellt. Neu verpflichtet wurde Marco Langner, der seinen Platz als Torwarttrainer fest hat – egal, wer die Chefcoach-Stelle dauerhaft übernimmt.

Gute Karten besitzt dabei Tayfun Korkut. In Frage kommen aber auch Markus Gisdol und Lucien Favre – alles Trainer, die dem Anforderungsprofil des VfB mehr oder weniger entsprechen. Das Konzept, die „Leitplanken“, wie Dutt sagt, soll nämlich nicht verändert werden. Attraktiver Fußball mit vielen eigenen Talenten, so lautet die Vorgabe verkürzt. Jürgen Kramny jedenfalls verfügt über Insiderwissen, was beim VfB gewünscht wird.