W Bei den Schülern des Wirtschaftsgymnasiums West stößt das Jugendbegleiterprogram auf großes Interesse. Auch bei potenziellen Jugendbegleitern ist die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, überraschend groß.

S-West - Das Schuljahr ist noch nicht weit fortgeschritten, und schon zeichnet sich am Wirtschaftsgymnasium West ein schöner Erfolg ab: Die Schule an der Rotebühlstraße hat sich in das Jugendbegleiterprogramm des Landes eingeklinkt. Bei den Schülern stößt diese Neuerung auf großes Interesse, und auch bei potenziellen Jugendbegleitern ist die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, überraschend groß. Ein Erfolg, den sich der Schulleiter Thilo Lang und die Organisatorin Dagmar Limmeroth erhofft, aber nicht in diesem Maße erwartet haben.

 

Bislang wird das Jugendbegleiterprogramm des Landes eher von allgemeinbildenden Schulen genutzt. Im Wirtschaftsgymnasium haben die Pädagogen jedoch festgestellt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft, dass es immer mehr junge Menschen gibt, die sich Unterstützung in Sachen Schule und Weiterbildung wünschen.

Jugendliche nach ihren Wünschen befragt

„Unser Name ist eigentlich irreführend“, macht Thilo Lang deutlich, der vor einem Jahr die Schulleiterstelle übernommen hat: Am Wirtschaftsgymnasium West werden mehr als 1000 Schüler in unterschiedlichen Schulzweigen unterrichtet. Das Angebot reicht von der Wirtschaftsschule (mittlere Reife nach zwei Jahren) über das Berufskolleg (Fachhochschulreife) bis hin zum Besuch des dreijährigen Wirtschaftsgymnasiums (Abitur) oder einer Berufsschule. Einzigartig in Stuttgart ist das Profil „Internationale Wirtschaft“, bei dem der Unterricht zum Teil auf Englisch stattfindet.

Allen Schülerinnen und Schülern ist gemeinsam, dass sie mit 16 oder mehr Jahren hierher gekommen sind. Die Abschlussprüfungen sind in die Nähe gerückt, die Frage der Berufs- oder Studienwahl beschäftigt sie sehr viel stärker als bisher. „Wir haben die Jugendlichen im vergangenen Jahr nach ihren Wünschen gefragt“, berichtet Dagmar Limmeroth. Die Lehrerin für Betriebs- und Volkswirtschaftslehre hat die Beteiligung am Jugendbegleiterprogramm angeregt und sorgt nun für dessen Umsetzung. 95 Prozent der Schüler, so erzählt sie, fragten nach dem Klassiker: Mathematik. Daher nehmen die Bereiche Prüfungsvorbereitung und Nachhilfe einen großen Stellenwert im Jugendbegleiterprogramm ein.

Aber auch leistungsstarke Schüler profitieren von dem Programm, das unter anderem eine englischsprachige Debating-AG nach angelsächsischem Vorbild beinhaltet. In einer Arbeitsgemeinschaft „Methoden wissenschaftlichen Arbeitens“ legen zwei Studenten die Grundlagen für ein späteres Studium, denn sie selbst fanden den Beginn an der Uni schwierig. In der Praxis sieht das so aus, dass die Begleiter gegen eine kleine Aufwandsentschädigung sehr unterschiedliche Kurse anbieten. Die Teilnehmer-Listen haben sich in den ersten Wochen schnell gefüllt. Es sind vor allem die Schüler, die kurz vor einer Prüfung stehen, die das Angebot gerne annehmen.

Erstaunlicherweise hätten sich aber auch viele jüngere Schüler in die Nachhilfekurse eingeschrieben, sagt der Schulleiter Lang. Ein Zeichen, findet er, dass die Jugendlichen vorausschauend denken, dass sich aber auch viele Familien teure Nachhilfelehrer nicht leisten können.

Pensionierte Lehrer als Betreuer

Eher unerwartet ist der Wunsch vieler Schüler nach Nachmittagsbetreuung bei den Hausaufgaben. „Es ist offensichtlich, dass sie im Alltag überfordert sind, allein schon durch die Fülle“, findet Dagmar Limmeroth. Darüber hinaus gibt die Schule mit Hilfe des Lernbegleiterprogramms Anleitung zum richtigen Bewerben: ein wichtiges Thema für die Jugendlichen, die nicht selten geprägt sind von Zukunftsangst. Die Unterstützung durch den Sprechunterricht einer Schauspielerin ist da Gold wert.

Doch nicht immer geht es um Lernen und Prüfungen. Auch Arbeitsgemeinschaften wie Theater, Chor oder Schulband sind über das Jugendbegleiterprogramm möglich. Daneben wird mit Sportvereinen kooperiert, die so in Kontakt mit dem dringend gesuchten Nachwuchs kommen.

Erstaunlich finden die Organisatoren die Tatsache, dass sich auf die Ausschreibung für ehrenamtliche Mitarbeiter viele Interessenten gemeldet haben. Es sind oft Lehramtsstudenten, die das Programm dazu nutzen, praktische Erfahrungen zu sammeln. Ältere Schüler geben Nachhilfe, um über den Qualipass ihre Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen und zugleich auszuprobieren, ob der Beruf Lehrer vielleicht für sie in Frage kommt. „Für die Hausaufgabenbetreuung aber würde ich mir wünschen, dass sich mehr pensionierte Lehrer melden“, hofft Dagmar Limmeroth auf Unterstützer mit viel Erfahrung. Doch sie hat auch schon einen 16-Jährigen erlebt, der seinem neuen Fußballteam unmissverständlich klarmachte: „Ich mach das gerne, ich mach das ehrenamtlich – aber nur, wenn es bei Euch keinen Streit gibt.“