Im Jugendhilfeausschuss des Stuttgarter Gemeinderats ist über den Trägerverein der Kita und dessen Nähe zur Gülen-Bewegung gestritten worden. Das Ergebnis: der Kitaträger erhält eine Förderung in Millionenhöhe.

Stuttgart - Selten hat es im Jugendhilfeausschuss eine so heftig geführte, politische Debatte über die Anerkennung eines Vereins als Träger der Jugendhilfe gegeben. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: der Bildungs- und Schulverein Baden-Württemberg, der auch Träger der Bil-Schulen in der Zuckerfabrik auf dem Hallschlag ist, hat diese Anerkennung erhalten – mit acht Ja- und vier Neinstimmen bei drei Enthaltungen. Somit muss die Stadt dem Verein auch einen Investitionskostenzuschuss von knapp drei Millionen Euro für den Bau einer Kita mit 70 Plätzen in der Sichelstraße in Bad Cannstatt gewähren.

 

Sozialbürgermeisterin macht kein Hehl aus ihrer Skepsis

Das Gremium hatte sich diese Entscheidung nicht einfach gemacht. Wie berichtet, hatte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) bereits bei der Begründung der Beschlussvorlage und gegenüber der StZ ihre Skepsis deutlich gemacht – und daraus auch in der Sitzung kein Hehl gemacht. „Ich habe gemischte Gefühle, mir fehlt die Transparenz – natürlich stehen die Bil-Schulen und der Kitaträger der Hizmet-Bewegung nahe – alles andere wäre Augenwischerei, deshalb hadere ich damit“, sagte Fezer. Damit meinte sie die Nähe zu dem umstrittenen türkischen Prediger Fethullah Gülen. Dieser strebt einen islamisch geprägten Staat an, Teile seiner Aussagen sind laut Verfassungsschutz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dennoch, so Fezer, sei sie zum Schluss gekommen: „Der Träger hat einen Anspruch auf Anerkennung und auch auf einen Investitionskostenzuschuss.“

Judith Vowinkel (SPD) lehnte die Zustimmung rundweg ab: „Wir meinen, Integration sieht anders aus – Vorurteile werden durch Miteinander abgebaut und nicht durch Segregation.“ Dies gefalle ihr schon bei den Bil-Schulen nicht, die vorwiegend von türkischen Kindern besucht würden und die somit kaum mit deutschen Kindern in Berührung kämen. Natürlich müsse man auch türkischstämmige Kinder besonders unterstützen, aber bitte schön lieber an öffentlichen Schulen. Den Standort der Kita finde sie wegen seiner Lärm- und Verkehrsbelastung ungeeignet.

Neben Christian Walter (SÖS-Linke-Plus) schloss sich auch der AfD-Stadtrat Bernd Klingler dieser Haltung an und versagte der Vorlage die Zustimmung. Zudem fehle ihm die Transparenz bei dem Vorhaben, so Klingler. Und auch als bekennender Christ sehe er die Sache kritisch.

Für CDU, Grüne, Freie Wähler hat das Recht Vorrang

Für CDU und Grüne hingegen standen die rechtlichen Aspekte im Vordergrund, deshalb stimmten sie zu. „Ich hab gemischte Gefühle“, räumte Nicole Porsch (CDU) ein. Aber der Schule werde eine tadellose Arbeit bescheinigt – „es gibt rechtlich nichts daran auszusetzen“. Vittorio Lazaridis (Grüne) argumentierte ähnlich, und er lobte Fezers Vorgehensweise: „Verfassung ist das höchste Gut“, sagte er. Der Träger werde streng geprüft. „Und wenn er die Voraussetzungen erfüllt, darf er auch an den Start gehen“, so Lazaridis. Doch er ergänzte auch: „Wie Integration gelingt und ob der Ort richtig ist für die Kita, das sehe ich kritisch.“ Auch Rose von Stein (Freie Wähler) sagte, sie verlasse sich auf eine solide Prüfung – „es gibt keine stichhaltigen Beweise, dass wir ablehnen müssen“.

Ein Pfarrer will „nicht den christlichen Einheitsbrei“

Heinz Gerstlauer von der Evangelischen Gesellschaft erklärte: „Ich bin auch Christ. Aber ich will nicht den christlichen Einheitsdeckel, ich finde Pluralität gut.“ Allerdings erwarte er vom Islam in Deutschland auch Dialogfähigkeit. Die Forderung nach Transparenz setze die Muslime unter Druck, das sei gut.

Auch Kerim Arpad vom Deutsch-Türkischen Forum wünschte sich mehr Transparenz, insbesondere im Leitbild des Vereins und bei dessen Verantwortlichen; gegen islamische Angebote spreche jedoch nichts.