Die Nachtwanderer in Möhringen suchen weitere Mitstreiter mit einem Draht zu Jugendlichen, um am Wochenende auf den Straßen nach dem Rechten zu sehen.

Möhringen - Sie sind alles andere als eine Bürgerwehr, sie rufen die Polizei nur im äußersten Notfall, und sie legen größten Wert auf einen offenen, vorurteilslosen Umgang mit Jugendlichen: Möhringens Nachtwanderer, die gelegentlich in den nächtlichen Straßen patroullieren, sehen sich nicht als harte Kerle, die für Ruhe und Ordnung sorgen. Ihnen ist der persönliche Kontakt wichtig und dass ihnen Vertrauen entgegengebracht wird. Doch mit nur sechs Aktiven unter den 18 gelisteten Mitgliedern ist die Gruppe zu klein, um an jedem Wochenende unterwegs zu sein. „Wir suchen dringend neue Nachtwanderer“, sagt Initiatorin und Projektleiterin Rita Dormann.

 

Die Idee stammt ursprünglich aus Schweden. In Möhringen wird das Projekt seit Mai 2011 unter dem schützenden Dach der Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (Ilm) organisiert. In Gruppen von zwei bis drei Leuten, möglichst männlich und weiblich besetzt, ziehen die Nachtwanderer freitags oder samstags ab halb neun zu Fuß oder mit dem Fahrrad durch die Stadtteilstraßen und sehen nach dem Rechten.

Vertrauen der Jugendlichen nicht missbrauchen

Kenntlich durch blaue T-Shirts und Jacken mit dem Nachtwanderer-Logo werden sie in der U-Bahn schon mal mit Fahrkarten-Kontrolleuren verwechselt, doch im Gegensatz zu denen geht es nicht darum, jemanden „zu erwischen“. Sie gehen auf Jugendliche zu, stehen ihnen zur Seite, wenn sie es wünschen, und bieten Hilfe an. „Es ist wichtig, die Privatsphäre zu respektieren“, erläutert Rita Dormann, „wir wollen das Vertrauen der Jugendlichen nicht missbrauchen.“

Möhringen ist ein eher ruhiges Pflaster, doch vor allem während der Volksfeste kommt es vor, dass alkoholisierte Jugendliche nach Hause begleitet werden wollen – und dass die Nachtwanderer, die einen speziellen Ausweis für den Nahverkehr haben, dann die letzte Bahn verpassen. Im Erste-Hilfe-Rucksack, der immer dabei ist, findet sich neben Pflastern auch eine Spucktüte für den Notfall. Erwischen sie Jugendliche, die sich daneben benehmen, ist es wichtig, nicht mit dem moralischen Zeigefinger zu kommen: „Wir verbieten nichts, wir appellieren an die Vernunft der Jugendlichen – und manchmal räumen wir sogar selbst auf oder teilen Müllbeutel aus“, berichtet Projektleiterin Rita Dormann gemeinsam mit Birgit Keyerleber, der Geschäftsführerin der Ilm. Werden die jugendlichen Nachtschwärmer zu laut, werden sie höflich auf die Nachtruhe hingewiesen. „Wenn wir ihnen freundlich begegnen, kommt das auch so zurück“, hat Rita Dormann festgestellt. Nicht selten ist sogar Dankbarkeit zu spüren, dass es Menschen gibt, die den Jugendlichen Interesse entgegenbringen und dafür kein Geld erwarten. „Das beeindruckt sie“, hat Birgit Keyerleber beobachtet.

Erfahrungsaustausch ist wichtig

Die Vorgehensweise der Nachtwanderer ist von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich, doch beim jüngsten bundesweiten Treffen in Öhringen wurden Standards festgelegt. Rita Dormann war dabei und fand die Möglichkeit zu einem Erfahrungsaustausch spannend. „In Öhringen ging es darum, Gemeinsamkeiten zu finden und Regeln aufzustellen“, berichtet sie. So sollen Nachtwanderer nie alleine, sondern immer nur in Gruppen unterwegs sein. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und sie dürfen sich nicht aufdrängen. Nach dem Einsatz wird ein Protokoll erstellt, doch noch wichtiger ist der Erfahrungsaustausch unter den Gruppenmitgliedern. „Wir lassen uns auch von niemanden beauftragen“, betont Rita Dormann die Freiheit der Ehrenamtlichen, die Einsätze eigenständig zu gestalten.

Mitmachen kann im Prinzip jeder, der einen guten Draht zu Jugendlichen hat und bereit ist, sich ihnen behutsam zu nähern, statt gleich zum großen Donnerwetter anzusetzen. Während andere Gruppen die Volljährigkeit zur Bedingung machen, haben sich die Möhringer darauf geeinigt, 25 Jahre für das ideale Einstiegsalter festzulegen. Vorkenntnisse brauchen die neuen Nachtwanderer nicht. „Die Initiative Lebensraum übernimmt die Kosten eines Erste-Hilfe-Kurses sowie eines Deeskalations-Trainings und sorgt für die Versicherung“, wirbt deren Vorsitzender Friedrich Bretz um Interessenten.

Bewerbungen
Künftige Nachtwanderer können sich an die Initiative Lebensraum Möhringen-Fasanenhof-Sonnenberg (Ilm), Obere Brandstraße 35, in Möhringen wenden. Weitere Informationen werden unter www.ilm-ev.de oder der Telefonnummer 07 11 7 19 42 61 erteilt.