Eine Theatergruppe behinderter und nicht behinderter Jugendlicher ist wieder einmal ausgezeichnet worden. Ehrungen fehlen ihr nicht, aber Geld und ein Spielort.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Es ist der Inklusionspreis des Landes Baden-Württemberg, damit „ein schöner Erfolg“, wie Axel Clesle sagt. Es ist aber auch eine Art Trostpreis, der über das Wesentliche nicht hinwegtröstet, was nicht daran liegt, dass es kein erster, sondern ein dritter Preis war.

 

Den Inklusionspreis haben die Rapsoden gewonnen, eine Theatergruppe der Kulturinitiative Bohnenviertel, in der behinderte und nicht behinderte Jugendliche gemeinsam mit professionellen Musikern spielen. Clesle ist ihre Regisseur, Intendant, Autor und Organisator in einer Person. Ohne ihn gäbe es das Theater nicht.

Die Jury würdigte aktuell das bisher vorletzte Stück der Gruppe, betitelt „Der feine Herr P.“, in dem die Straftat von Wolfgang Priklopil verarbeitet wird, der Natascha Kampusch jahrelang nahe Wien wie eine Sklavin in seinem Keller gefangen hielt. Mit der Verarbeitung von Kampuschs Schicksal, urteilten die Juroren, betrete das Jugendtheater „echtes Neuland“.

Axel Clesle hat Routine darin, Auszeichnungen anzunehmen

Auszeichnungen entgegenzunehmen, dabei hat Clesle bereits eine gewisse Routine. Seine eigene Arbeit und die der Theatergruppe ist viel gelobt und reichlich gewürdigt. Zuletzt verlieh ihm die Stuttgarter Zeitung ihren Ehrenamtspreis. Solche Ehrungen trösten zwar, aber sie täuschen nicht darüber hinweg, dass nach Monaten der intensiven Probe die jüngste Produktion „Die märchenhafte Rückkehr des King Al ,Fizz‘ Preschle“ ganze drei Mal aufgeführt wurde – als Gastspiel der Rapsoden im Theater Rampe. Für weitere Aufführungen fehlte sowohl das Geld als auch die Spielstätte, weshalb „das Stück jetzt in der Schublade verschwunden ist“, sagt Clesle.

Mit 3000 Euro ist der Preis des Landes dotiert, die direkt in die nächste Theaterproduktion fließen. „Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der Menschen mit Behinderung selbstverständlich gleichberechtigt teilhaben.“ So sagte es die Sozialministerin Katrin Altpeter. Eben dieses Gefühl hat Clesle nicht. Zwar verneint er die Absicht, sich künstlerisch zu beklagen, aber Thema der jüngsten Produktion ist die Herausforderung, ein gemeinsames Theaterfestival für behinderte und nicht behinderte Darsteller zu organisieren. Im wahren Leben hat er eben ein solches Festival – die Handicaptions im Bohnenviertel – wegen Geldmangels abgesagt.

Die Stadt hat die Gruppe aus ihrer Förderung gestrichen

Aus der festen Förderung der Stadt ist seine Theatergruppe gestrichen worden. Auf der Suche nach Zuschussgebern ist Clesle seither ähnlich kreativ wie beim Schreiben der jährlich neuen Theaterstücke. Als nächstes erhofft er sich einen Preis der Handelskammer, „in der Hoffnung auf mögliche Sponsoren, die sitzen da ja alle“, sagt Clesle. Von städtischer Seite habe er, obwohl er so ziemlich jeden angesprochen hat, der sich des Themas annehmen könnte, „nichts mehr gehört“.

Derweil will seine Theatergruppe im Herbst unverdrossen mit der Arbeit am neuen Stück beginnen. Diesmal scheint immerhin gesichert, dass es nicht nach drei Aufführungen vergessen wird. Fünf Theater haben sich Gastspielort angeboten. „So können wir eine kleine Tournee durch Stuttgart machen“, sagt Clesle. Bei Gefallen und Bedarf selbstverständlich nicht nur mit dem neuen, sondern auch mit einer Wiederaufführung jeder der bisher sieben vorherigen Produktionen.