Die EU-Abgeordnete Julia Reda hat sich zur Gegenspielerin von Digitalkommissar Oettinger gemausert. Und bringt ihn vielleicht noch zum Twittern.

Brüssel - Wer Julia Reda gegenübersitzt, spürt den digitalen Graben. Sie ist mit 28 Jahren viel jünger als ihr Gast, hat aber auf Twitter als @Senficon locker 34 000 Kurznachrichten mehr abgesetzt als der Autor dieser Zeilen, @cziedler. Man hat sich also schon dynamischer gefühlt. So muss das wohl sein, wenn Europas oberste Piratin einlädt, die die EU in die digitale Zukunft führt.

 

Redas Büro heißt 05F158. Das bedeutet nicht, dass der Parlamentsneuling in Brüssel eine kleine Nummer wäre – im Gegenteil. Die Frau aus Offenbach hat sich seit der Europawahl schnell etabliert – als einzige Abgeordnete ihrer Partei. Die einsame Piratin ist eine einflussreiche Politikerin.

Welches geistige Eigentum darf vervielfältigt werden?

Das Urheberrecht ist ihr Ding, im doppelten Sinn. Den Piraten ist es zu altbacken und analog. Schon im Wahlkampf hat Reda versprochen, sich einzusetzen, dass Onlinedienste grenzenlos funktionieren und es auf Youtube nicht mehr heißt, das Video stehe in diesem Land nicht zur Verfügung. Es geht aber um noch größere Fragen: Welches geistige Eigentum darf im Netz kostenlos vervielfältigt werden? Wofür muss der User bezahlen? Welche Rechte hat er, welche der Autor oder Künstler? Die Antworten darauf werden die Zukunft prägen und heute von Reda geprägt. Als Newcomerin ist sie gleich Berichterstatterin des Parlaments für das Thema geworden. Das Bonbon hat sie den Grünen abgerungen – dafür dass sie sich deren Fraktion anschloss, um nicht als Solokämpferin im Parlamentsbetrieb hoffnungslos unterzugehen.

Linke und Liberale wären noch in Frage gekommen. Mit den alten Genossen von früher hat sie nicht verhandelt. Reda hat der SPD 2009 den Rücken gekehrt, wo sie erst im Ortsverband Berlin-Neukölln und zu Beginn des Studiums in Mainz aktiv war. Vergrätzt war sie, da sich die Partei im Kampf gegen Kinderpornografie für Internetsperren einsetzte. Zudem konnte sie bei den Piraten, damals im Kommen, „etwas beeinflussen, ohne die parteiinterne Ochsentour durchlaufen zu müssen“.

Maximalpositionen haben es schwer in Brüssel

Julia Reda lebt online, seit sie elf war. Damals blieben ihre Freunde ganz nah, obwohl sie mit den Eltern, Übersetzern im Auswärtigen Amt und Italiens Botschaft, von Bonn nach Berlin zog. Das Netz ist für sie kein Medium wie jedes andere, sondern „hat auch eine emotionale Komponente“ und „bringt Leute über geografische Grenzen hinweg zusammen“.

Die Leidenschaft hat sie in den Entwurf für die Urheberrechtsreform gepackt, den sie gerade der Öffentlichkeit präsentiert hat. „Obwohl manche das von Piraten denken, will ich das Copyright nicht loswerden und keine Revolution lostreten“, sagt sie im Wissen, dass es Maximalpositionen schwer haben in Konsenseuropa und einige Lobbyisten sie als Berichterstatterin verhindern wollten. „Es geht um eine Anpassung ans digitale Zeitalter“. Einer ihrer Vorschläge lautet: Wer einmal ein digitales Produkt erworben hat, darf dann auch alles damit tun.

Oettinger zeigt Respekt vor der Piratin

Sie war eine der Ersten, deren Meinung Digitalkommissar Günther Oettinger zur Reform hören wollte, für die er im Herbst einen Gesetzentwurf plant. „Eine sehr kluge Frau“, lautet das Urteil über seine neue Gegenspielerin, „auch wenn wir sicher in einem oder anderen Punkt unterschiedlicher Meinung sein werden.“ Das glaubt Reda auch, wenn sie an seine Forderungen nach Netzabgaben und Ausnahmen bei der Netzneutralität denkt – obwohl ihr in Paris schon vorgeworfen wurde, sie habe sich mit Oettinger gegen Frankreichs Kultur verschworen, da beide die Reform wollen.

Der Vorwurf erheitert sie, die immer ihren Senf dazugeben muss und als @Senficon knapp 34 000 Tweets mehr publiziert hat als @GOettingerEU. Im Schlagabtausch der nächsten Jahre dürften auf beiden Seiten noch einige dazukommen.