In ihren Vorbereitungsklassen müssen Schulen wesentliche Hürden bei der Integration von jungen Flüchtlingen abbauen. Die Herausforderungen für Schüler und Lehrer sind enorm.

Stuttgart - Sie kommen nach Stuttgart und sprechen meist kaum einen Brocken Deutsch. Einige Flüchtlingskinder kennen nicht einmal das Alphabet. Doch nach spätestens einem halben Jahr greift auch für sie die Schulpflicht. Stuttgarter Bildungseinrichtungen müssen sich deshalb auf die hohe Zahl junger Asylsuchender einstellen – und zwar besser jetzt als gleich. Eine „Riesenherausforderung“ nennt das der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl, der sich am Mittwoch in der Rosensteinschule und der Steinbeisschule im Norden umgesehen hat.

 

Der Weg führt in den Regelschulen über Vorbereitungsklassen (VKL) und in berufsbildenden Schulen über Vorqualifizierungsklassen (VABO). Hier lernen die Kinder und Jugendlichen an erster Stelle die deutsche Sprache. Rund 800 solcher Klassen gibt es laut Schmalzl im Regierungsbezirk Stuttgart, beim Stuttgarter Schulamt stieg die Zahl von 35 zu Beginn des vergangenen Schuljahres auf inzwischen 84.

Viele Kinder sind „hochmotiviert“

In der Rosensteinschule besucht jeder fünfte Schüler eine Vorbereitungsklasse. Fünf davon gibt es, eine sechste wird gerade eingerichtet. „Alle Schüler sind uns willkommen. Es ist eine Gemeinschaft“, sagt Ingrid Macher, Rektorin der Grund- und Werkrealschule. Sie hätten „viele hoch motivierte Kinder“, berichtet Lehrerin Heike Grüner. Aber die Lebensumstände erschwerten oft das Lernen, so die Fachleute. Wenn sich sechs Familienmitglieder zwei Zimmer teilen, fehle dem Nachwuchs nicht selten die Ruhe für Hausaufgaben – und Schlaf, wenn abends der Fernseher länger läuft. Manche Kinder seien übermüdet, berichtet der stellvertretende Stuttgarter Schulamtsleiter Matthias Kaiser. Er finde es bemerkenwert, dass die meisten „trotzdem so fleißig mitmachen können“. Die Stadtbücherei biete hier einen wertvollen Rückzugsraum, betont Schmalzl und plädiert zugleich für Ganztagsunterricht.

Natürlich seien nicht alle Schüler mit gleichem Eifer bei der Sache, stellen die Lehrer fest. Manchmal habe es aber auch familiäre Gründe, wenn ein Kind nicht in die Schule komme. Lehrerin Mirna Kurevija erklärt: Da viele Eltern kein Deutsch sprechen, müssten Kinder nicht selten übersetzen, etwa bei Arztbesuchen. „Sie tragen schon eine Verantwortung.“

Traumata können oft ausgeblendet werden

Einige ihrer Lehrer und Schüler würden enormes leisten, berichtet Herbert Bläsi, Leiter der Steinbeisschule. Einige junge Menschen hätten die deutsche Sprache in den VABO-Klassen der berufsbildenden Einrichtung schon nach wenigen Monaten erworben. Es könnten aber auch mal sechs Jahre zwischen der Ankunft in Deutschland und dem Ausbildungsabschluss ins Land gehen. Er plädierte für Geduld. Viele Schüler blickten auf schreckliche Erlebnisse zurück, sagt Lehrer Simon Häcker. „Aber die Traumata können sie im Schulalltag oft ausblenden.“ Auch mit der Angst, Deutschland vielleicht wieder verlassen zu müssen, würden sie „ganz gut umgehen“, berichtet seine Kollegin Kathrin Schwindt.

Die Belastung ist trotzdem groß, auch für die Schulen und Lehrer. „Es hat uns einfach in den vergangenen zwei Jahren überrannt“, macht Kaiser deutlich. 800 zusätzliche Lehrerstellen im Land sollen helfen, die Herausforderung zu meistern. 200 wurden mit dem Haushalt 2014/15 zur Verfügung gestellt und sind weitgehend besetzt. 600 sollen in den Nachtragshaushalt eingebracht werden. Nach dem Bevölkerungsanteil ist das Stuttgarter Regierungspräsidium laut Schmalzl mit 40 Prozent dabei. Natürlich sei der Markt für Lehrkräfte „recht leergefischt“, doch Unterstützung gebe es durch Pensionäre und Lehrkräfte ohne zweites Staatsexamen.

Nur 45 Prozent der Schüler in Vorbereitungsklassen hätten aktuell Flüchtlingsstatus, führt Kaiser aus, mehr als die Hälfte seien Migranten, die aus ganz verschiedenen Länden kommen. Er geht jedoch davon aus, dass sich der Anteil ändert, wenn die vielen syrischen Flüchtlingskinder vom Sommer schulpflichtig werden.