Nach dem Tode eines Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal beginnen die Ermittlungen. Haben es Justizbedienstete versäumt, den seit zwei Jahren in Einzelhaft sitzenden Häftling zu beobachten und zu kontrollieren? Das prüft die Staatsanwaltschaft.

Bruchsal - Der Tod eines seit zwei Jahren in Einzelhaft sitzenden Strafgefangenen wirft beim baden-württembergische Justizministerium Fragen über den Umgang mit der Einzelhaft in den Strafanstalten des Landes auf. Bis die Umstände geklärt sind, unter denen der 33-jährige Häftling aus dem westafrikanischen Burkina Faso in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal zu Tode gekommen ist, wird es freilich wohl noch Wochen dauern.

 

Der Mann war am 9. August leblos in seiner Zelle gefunden worden. Er hatte sich über einen längeren Zeitraum geweigert, die Anstaltskost zu sich zu nehmen und war stark abgemagert. Die Strafverfolger prüfen jetzt die Frage, ob sich gegen Justizbedienstete ein Anfangsverdacht wegen unterlassener Hilfeleistung oder fahrlässiger Tötung richten könnte, etwa wenn sie versäumt hätten, den Häftling in ärztliche Behandlung zu bringen. Von disziplinarischer Bedeutung könnte sein, wenn Vorschriften über die Kontrolle des Zustands des Häftlings und die Dokumentation darüber außer Acht gelassen wurden.

Beispielloser Vorgang

Um „eine auch nur von dem Verdacht einer Parteilichkeit freie Untersuchung“ zu ermöglichen, hatte Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am Montag den Leiter der Anstalt vorläufig von seiner Aufgabe entbunden. Derweil leitet der Chef der Heilbronner Anstalt kommissarisch die JVA Bruchsal. Dies ist ein im Land bisher beispielloser Vorgang.

Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Wie der Leitende Staatsanwalt Günter Spitz sagte, haben die Strafverfolger jetzt begonnen, die sichergestellten Gefängnisprotokolle und Geschehnisberichte zu sichten. Beamte der Karlsruher Kriminalpolizei vernehmen Bedienstete der Vollzugsanstalt, die mit dem Gefangenen zu tun gehabt haben.

Auch die Untersuchungen der Rechtsmedizin in Heidelberg dauern an. Die Obduktion der Leiche hatte keine klaren Erkenntnisse über die Todesursache geliefert. Histologische und toxikologische Tests sollen helfen, die Frage zu beantworten, „inwieweit der Gefangene aufgrund seiner Verweigerung der Annahme der Anstaltskost an lebensgefährlichem Untergewicht gelitten hat“. Spitz bezeichnete es als Spekulation, dass der Mann verhungert sei.

Einige Widersprüche

Es gibt beim derzeitigen Kenntnisstand einige Widersprüche. So ist etwa die Rede davon, dass der Gefangene „über Wochen und Monate“ die Nahrungsaufnahme verweigert haben soll. Zum einen bedeutet das nicht, dass er gar nichts zu sich genommen hat, da er sich auf anderem Wege versorgt haben könnte. Zum anderen wird von den Vollzugsvorschriften gefordert, dass ans Ministerium gemeldet werden muss, wenn ein Häftling länger als eine Woche die Kost verweigert. Ob dies tatsächlich passiert ist, werde geprüft, heißt es.

Der Häftling war offenbar seit zwei Jahren in Einzelhaft untergebracht. Diese „Absonderung von anderen Gefangenen“ muss der Anstaltsleiter anordnen. Die Aufsichtsbehörde muss zustimmen, wenn die Einzelhaft mehr als drei Monate in einem Jahr beträgt. „Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass Gefangene am Gottesdienst oder am gemeinschaftlichen Aufenthalt im Freien teilnehmen“, heißt es in dem betreffenden Paragrafen sogar. Das Ministerium habe die Zustimmung erteilt. Aber auch dies werde jetzt noch einmal untersucht, heißt es.

Andere Einzelhäftlinge überprüft

Man habe nach Bekanntwerden des Vorfalls seitens des Justizministeriums umgehend geprüft, wie es sich mit den anderen in Einzelhaft untergebrachten Bruchsaler Gefangenen verhält. Dies seien gegenwärtig vier Personen. An deren Unterbringung und Betreuung habe man nichts auszusetzen gehabt. Insgesamt sitzen 34 Häftlinge im Land in Einzelhaft.

Der Betroffene war – laut Staatsanwaltschaft – wegen seiner ausgeprägten Aggressivität in Einzelhaft gekommen. Er war wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Offenburg hatte den gelernten KfZ-Mechaniker im Januar 2012 für schuldig befunden, seine damals 37-jährige Lebensgefährtin erstochen zu haben. Sie war Mutter dreier Kinder im Alter von damals 14 Monaten, neun und elf Jahren. Im Offenburger Gefängnis habe der Mann einen Justizbediensteten derart malträtiert, dass dieser bis heute nicht wieder dienstfähig sei. Dafür war er zusätzlich zu 18 Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden.

Aus Bruchsaler Häftlingskreisen wurde kolportiert, der Häftling sei ein so genannter Kindersoldat, der „in strengster Isolationshaft gehalten“ worden sei. Mit einem Hungerstreik habe er gegen seine Haftbedingungen und rassistische Äußerungen durch Bedienstete protestieren wollen.