Er hat die Stuttgarter Stäffele in der „Tatort“- Folge „Rot, rot, tot“ für immer im Film verewigt: Justus Pankau. Jetzt ist der Kameramann, der auch mal Torwart bei Borussia Dortmund war, im Alter von 93 Jahren gestorben.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Als seine Freunde ihn ein letztes Mal feierten, lag Justus Pankau schon im Krankenhaus. Am Donnerstagnachmittag haben den Kameramann, der für seinen Haussender SDR die Fernsehgeschichte maßgeblich mitgeschrieben hat, die Kräfte verlassen. Am Abend dieses Tages kamen viele seiner Weggefährten im Ludwigsburger Scala, dem Schicksal trotzend, dennoch zu der lange geplanten Hommage zusammen, um das Lebenswerk des Mannes in Gelb zu feiern. Die Schauspieler Walter Schultheiß und Trudel Wulle, Theaterhausmacher Werner Schretzmeier, die Regisseure Theo Metzger und Peter Lilienthal und Ex-Filmakademiechef Albrecht Ade waren da. Annette Krause moderierte. Auf diesen Abend hatte Pankau hingefiebert. Er wurde zum Abspann seines Lebens. In der Nacht von Freitag auf Samstag ist Pankau, der seiner Lieblingsfarbe bis zum Schluss treu geblieben ist und noch in seinen letzten Tagen einen gelben Pullunder trug, in einem Ludwigsburger Krankenhaus gestorben. Er wurde 93 Jahre alt.

 

An den Tagen zuvor hatte es noch so ausgesehen, als würde Pankau seine Energien noch einmal mobilisieren können, um zu erleben, was nicht vielen gegönnt ist: die Wertschätzung für ein Lebenswerk, die in seinem Fall so etwas wie ein Nachruf zu Lebzeiten wurde. Es war dann zwar eine Gala für ihn – aber ohne ihn. Justus Pankau hatte gewünscht, dass der Abend auf alle Fälle stattfindet, so berichtet Gerd Jüttner von der SWR-Pressestelle, der ihn zusammen mit anderen in den letzten Tagen besucht hat. Auch wenn er vorher gestorben wäre. Da war er ganz Profi.

Fußballspieler und Kamerapionier

Und ein Multitalent war er. Er konnte Fußballspielen, stand zwischen 1945 und 1948 bei Borussia Dortmund im Tor. In die Stadt war der 1923 in Westpreußen Geborene als Zweijähriger gekommen. Damals hieß er noch Willy. Er später nannten ihn seine Freunde Justus, weil sie seinen Gerechtigkeitssinn schätzten. Als ein Freund Pankau 1948 eine Stelle als Kamera-Assistent in Hamburg anbietet, traf der junge Mann die wohl folgenschwerste Entscheidung seines Lebens: er willigte ein – und kam nie mehr von der Kamera los. 1954 unterschreibt er beim damaligen Süddeutschen Rundfunk SDR – und blieb bis zur Rente. Das Fernsehen steckte in den Kinderschuhen. Für Pankau war das ein perfektes Experimentierfeld auszuprobieren, wie man mit der Kamera von der Welt erzählen kann. Er war Mitbegründer der Stuttgarter Schule, die der Tübinger Professor Walter Jens als „ein Meisterwerk visueller Rhetorik“ lobte.

Obwohl Pankau neben etwa 60 Dokumentarfilmen, unzählige Beiträge für die Landesschau, die damals noch Abendschau hieß, auch viele Spielfilme und 20 „Tatorte“ drehte, schlug sein Herz doch immer leidenschaftlich für den Dokumentarfilm. Unvergessen sind die Bilder, die er unangeseilt vom Bau des Stuttgarter Fernsehturms drehte. Die Tour de France, den Genfer Autosalon, die Balletttruppe um John Cranko und auch Konrad Adenauer, alles und alle hielt er mit seiner Arriflex fest. Sie war ihm so lieb, dass er sie dem SDR, als er 1989 in den Ruhestand ging, für 3000 D-Mark abkaufte. „Sie war mein Arm und mein Auge“, hat er in einem Interview einmal gesagt. Man gibt schließlich kein Körperteil her. Die Handkamera, das natürliche Licht waren seine bevorzugten Arbeitsmittel. Und immer wusste er, wie viel Material ihn zum Dreh noch zur Verfügung stand. Pankaus Ära war die vor der digitalen Zeit, in der er alle Preise, die man bekommen kann, einheimste: Grimme-Preis („Die Borussen kommen“), Bundesfilmpreis („Malatesta“, Regie: Peter Lilienthal), Goldenen Leoparden in Locarno („Das Verlangen“). Nach der Pensionierung gab der Meister hinter der Kamera sein Wissen von 1991 bis 1999 an die Studenten der frisch gegründeten Ludwigsburger Filmakademie weiter.

Stuttgarter Stäffele verewigt

Jeder Aufzählung muss unvollständig bleiben. Aber als Kameramann der Bernd-Eichinger-Produktion „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ hat Pankau Bilder geschaffen, die, 0bwohl sie einem Spielfilm entstammen, doch ein Abbild des Berlin der späten 70er Jahre transportieren. Mit Loriot und der Komikertruppe Monty Python hat er gedreht und wohl ziemlich viel gelacht. Und dass in Stuttgart niemand die Stäffele bei Dunkelheit hinauf- oder hin steigt, ohne an die Tatort-Produktion „Rot, rot, tot“ mit Curd Jürgens zu denken, ist ebenfalls Pankaus Verdienst. Stuttgart war lange seine Stadt. Im Bohnenviertel, wo er wohnte, konnte man ihn bis zu seinem Umzug im Oktober in ein Ludwigsburger Seniorenheim antreffen. Von seinem Drehteam Abschied zu nehmen, so hat er einmal gesagt, sei ihm immer schwergefallen. Diese traurige Aufgabe hat er nun seinen Freunden überantwortet.