Im April starb ein 22-Jähriger in der Haftanstalt Bruchsal. Die Todesursache wird noch untersucht. Nun taucht ein angeblicher Abschiedsbrief des Gefangenen auf, in dem dieser behauptet, er werde in den Tod getrieben.

Stuttgart - Nach dem neuerlichen Tod eines Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal vor einigen Wochen sind Vorwürfe gegen die Anstaltsleitung bekannt geworden. Demnach soll sich der 22-Jährige, der in Flügel vier der Haftanstalt einsaß und der am 8. April tot in seiner Zelle aufgefunden wurde, nach StZ-Informationen über Schikanen durch leitende Bedienstete in Bruchsal beschwert haben. Ein Mitgefangener habe den „letzten Willen“ des Verstorbenen protokolliert. Dieser habe verfügt, im Fall seines Todes sei das Schriftstück an einen Anwalt weiterzuleiten.

 

In dem Abschiedsbrief heißt es, ein leitender Beamter der Haftanstalt habe dem Gefangenen zu verstehen gegeben, „dass es ihm egal sei, ob ich lebe oder verrecke oder sonst was mit mir sei – nur soll ich so viel Anstand haben, nicht auf seiner Abteilung zu verrecken“. Außerdem wirft er für den Fall, dass er „unerwartet zu früh tot auf der Zelle aufgefunden“ werde, der Vollzugsleitung vor, „mich durch Umwege und Gehirnwäsche und Medikation in den Tod getrieben zu haben“.

Keine Zeichen von Gewalteinwirkung

Die Vorwürfe wiegen schwer, doch nehmen weder das Justizministerium noch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe unter Hinweis auf das noch laufende Todesermittlungsverfahren inhaltlich Stellung. Das Ministerium bestätigte, dass ihm die Vorwürfe über das Online-Portal einer Gefangenenhilfsorganisation bekannt geworden seien. Daraufhin sei der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zur Kenntnis gebracht worden, damit er bei den weiteren Ermittlungen berücksichtigt werden könne. Suizidabsichten des Gefangenen seien allerdings aus dem Material, das dem Ministerium vorliege, nicht zu erschließen.

Die Obduktion des Gefangenen hatte keine Anzeichen äußerer Gewalteinwirkung ergeben. Allerdings fiel ein Schnelltest auf Methadon positiv aus. Dabei habe der Gefangene nicht an einem Methadonprogramm teilgenommen. Weitere Untersuchungen wurden angeordnet, doch gibt die Staatsanwaltschaft über deren Ergebnisse vorerst keine Auskunft. „Wir prüfen noch, ob Nachermittlungen nötig sind“, sagte ein Sprecher der Behörde in Karlsruhe.

Justizbeamtin attackiert

Der 22-Jährige saß seit Anfang 2012 wegen einer Reihe von Gewaltdelikten in Haft. Unter anderem wurde ihm eine mit einem Messer begangene Körperverletzung vorgeworfen. Nach weiteren Vorfällen in Haft wurde ihm Anfang 2015 eine Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren auferlegt. Bereits im November 2012 hatte der Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim eine Beamtin des Justizvollzugs attackiert und so schwer verletzt, dass sie dauerhaft dienstunfähig wurde. Mitte 2014 wurde er aus dem Jugendstrafvollzug herausgenommen.

Nach einer erneuten „körperlichen Auseinandersetzung“, diesmal gegen einen Mitgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Mannheim, wurde er nach Bruchsal verlegt. Die dortige Haftanstalt hat im Gefüge des baden-württembergischen Strafvollzugs eine Sonderzuständigkeit für besonders gefährliche Gefangene. Nach Auskunft des Justizministeriums entsprach die Verlegung nach Bruchsal auch dem Wunsch des Gefangenen, eine Zustimmung des Justizministeriums sei nicht erforderlich gewesen. In Bruchsal habe sich der Gefangene, der im vergangenen Jahr noch in Einzelhaft genommen worden war, stabilisiert. „Er hatte bessere Aussichten in jüngster Zeit“, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Dies habe auch der psychologische Dienst bestätigt.

Bereits im August 2014 war in der Haftanstalt Bruchsal der Gefangene Rasmane K. verhungert. Der Leiter der Haftanstalt wurde daraufhin vom Dienst suspendiert. Ein von Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes psychiatrisches Gutachten ergab, dass der als gefährlich geltende Gefangene unter Wahnvorstellungen litt und nicht mehr Herr seiner Sinne war. Zugleich kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass Rasmane K. bei entsprechender Behandlung zu helfen gewesen wäre. Vor allem hätte sein Tod abgewendet werden können. Der Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Gefängnisleiter und eine behandelnde Ärztin ist noch offen. Geprüft wird, ob der Tod von Rasmane K. vorhersehbar gewesen sei. Der Gefangene hatte nur noch Müsli aus dem Gefängnisladen zu sich genommen; er hatte Angst, er werde mit der Gefangenenkost vergiftet.