Der „Gefängniswärter“ wurde vor Jahrzehnten eingemottet. Heute sagt man „Vollzugsbeamter“. Nach Traumjob klingt das aber immer noch nicht. Es ist bei diesem Beruf oft Liebe auf den zweiten Blick: Wer sich bewirbt, weiß, was ihn erwartet.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stammheim - Der „Gefängniswärter“ wurde vor Jahrzehnten eingemottet. Heute sagt man „Vollzugsbeamter“. Nach Traumjob klingt das immer noch nicht. Es ist bei diesem Beruf oft Liebe auf den zweiten Blick: Die meisten Anwärter verfügen über eine Berufsausbildung, viele haben Angehörige, die im Vollzugsdienst arbeiten, sagt der neue Leiter der Justizvollzugsschule in Stammheim, Joachim Obergfell-Fuchs. Der promovierte Psychologe lehrte an der Uni Freiburg und leitete den Kriminologischen Dienst Baden-Württemberg, bevor er im Herbst nach Stammheim kam. Wie abwechslungsreich der Beruf sei, der hier gelehrt wird, ahne nur, wer informiert sei. „Natürlich kommen auch Bewerber mit falschen Vorstellungen“, sagt Obergfell-Fuchs, beispielsweise hätten sich schon Kriegsveteranen aus Afghanistan vorgestellt, die glaubten, der Umgang mit den Strafgefangenen sei eher „konfrontativ“.

 

Die Frontstellung zwischen Häftlingen und „Wärtern“, wie man sie aus amerikanischen Spielfilmen kenne, sei von der deutschen Realität Lichtjahre entfernt. „Wir gehen mit den Leuten menschlich um. Das ist ein Merkmal des deutschen Vollzugs. Wir nehmen die Gefangenen als Menschen wahr“, sagt Obergfell-Fuchs. Das verbessere nicht bloß das Miteinander, sondern sei Teil der Resozialisierung der Insassen. Es gehe um Umgangsformen und darum, Konflikte anzusprechen, statt zuzuschlagen.

Die zweijährige Berufsausbildung umfasst neben rechtlichen Grundlagen, Allgemeinbildung, Sozialkunde und Kriminologie auch die Fächer Psychologie und Kommunikation. Die Auszubildenden lernen, wie Aggression entsteht, was sie schürt, wie man sie herunterkühlt. Sie lernen, Persönlichkeitsstörungen zu erkennen und eigenen Stress zu bewältigen. „Die Justizvollzugsbeamten haben Vorbildfunktion.“

Die Beamten sind freilich keine mobilen psychosozialen Beratungsstellen, sie müssen auch in der Lage sein, durchzugreifen. In den zwei Jahren ihrer Ausbildung absolvieren sie Schießtrainings, üben Selbstverteidigung und lernen, wie man Zellen nach Waffen durchfilzt. Im Keller der Schule ist eine Musterzelle eingebaut mit Stockbett, Toilettenschüssel, Waschbecken, Tisch, Schrank, Stuhl – alles Originalteile von nebenan aus der Justizvollzugsanstalt Stammheim. Die Stahltür ist mit einem Schloss gesichert, zu dem ein Schlüssel von der Größe eines Korkenziehers passt. Die Eleven lernen hier die Kniffe der Knastis. Sie erschnuppern den Inhalt vermeintlich harmloser Sprudelflaschen, schieben Sonden in Toilettenschüsseln, drehen und wenden, was nicht nagelfest ist und tasten unter den Regalböden entlang.