Das Land investiert bis 2017 kräftig in die Modernisierung der in die Jahre gekommenen JVA in Stammheim. Doppelzellen werden größer und erhalten abgetrennte, belüftete Toiletten. Das marode Gerichtsgebäude wird ersetzt.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Das Land Baden-Württemberg investiert bis 2017 kräftig in die Modernisierung des in die Jahre gekommenen Justizviertels in Stammheim. Denn das 50 Jahre alte Hauptgebäude des Gefängnisses – das „Hochhaus“ mit seinen 413 Plätzen – gilt als völlig marode. An fünf neuen Hafthäusern wird bereits seit wenigen Monaten gebaut. Die Baukosten betragen 52 Millionen Euro. Ende 2015 sollen die Neubauten, in denen 560 Gefangene Platz finden, fertig gestellt sein. Im selben Jahr steht ein weiterer Baubeginn an: Denn das benachbarte Hochsicherheitsgericht aus dem Jahr 1975 ist ebenfalls baufällig. Der Neubau kostet 25 Millionen Euro.

 

Das Land Baden-Württemberg investiert damit bis zum Jahr 2017 insgesamt 77 Millionen Euro in die Modernisierung des wohl bekanntesten Justizviertels in Deutschland, das untrennbar mit den berühmtesten Gefangenen des Gefängnisses verbunden ist. Mitte der 1970er Jahre lief in dem Stuttgarter Stadtbezirk der „Stammheimer Prozess“, der mit der „Nacht von Stammheim“ endete. Die Anführer der Roten-Armee-Fraktion, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, nahmen sich in der Nacht zum 18. Oktober 1977 das Leben.

Gericht als Multifunktionshalle

Den Topterroristen war zuvor im Hochsicherheitsgericht neben dem Gefängnis der Prozess gemacht worden. Es war in aller Eile für dieses Mammutverfahren für sechs Millionen Euro in die Höhe gezogen worden. Aus Furcht vor Befreiungsversuchen galten höchste Sicherheitsbestimmungen. Ein Stahlnetz wurde extra über die Dächer gespannt, das Fluchtversuche der RAF-Leute selbst per Helikopter ausschließen sollte. Besucher konnten das Gerichtsgebäude nur einzeln betreten, Überwachungskameras filmten jeden Quadratmeter vor dem mit Nato-Stacheldraht gesicherten Gebäude.

Eigentlich ist das Gericht offiziell eine Multifunktionshalle. Denn es hätte nach dem Jahrhundertprozess für Schüler und Vereine aus Stammheim als Sporthalle genutzt werden sollen oder als Werkstatt für das Gefängnis. Doch die Justiz benötigte das Gebäude weiterhin für Prozesse, bei denen hohe Sicherheitsstandards angesetzt werden mussten. In all den Jahren saßen dort, wo die Terroristen auf der Aklagebank Platz genommen hatten, weitere RAF-Leute, mutmaßliche Mafiamitglieder, islamistische und kurdische Terroristen, Kriegsverbrecher und zuletzt in einem Großverfahren 20 Mitglieder der Stuttgarter Jugendbande Black Jackets.

Das Wasser tropft von den Decken

Mittlerweile tropft im Gerichtsgebäude aber Wasser von den Decken, das Haus gilt als baufällig. Auch die Überwachungstechnik liegt im Argen: Die Technik ist überholt oder ausgefallen. Das Land Baden-Württemberg hat deshalb beschlossen, das marode Prozessgebäude durch einen Neubau zu ersetzen, das höchsten Sicherheitsstandards genügt. Der Altbau soll aber trotz der baulichen Mängel bis zu dessen Fertigstellung genutzt werden.

Die Pläne sehen ein zweistöckiges Gebäude mit zwei Sälen vor. Für die als besonders gefährlich oder gefährdet geltenden Angeklagten gibt es einen Tunnel zwischen dem Gefängnis und dem Gericht. Und der Neubau wird mit einer Zu- und Abfahrt an die nahe Bundesstraße 27 a angeschlossen.

Abgetrennte, belüftete Toiletten

Während mit dem Gerichtsneubau in zwei Jahren begonnen werden soll, laufen die Arbeiten für den neuen Gefangenenhaupttrakt bereits auf Hochtouren. Auslöser war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor wenigen Jahren gewesen, in dem bundesweit eine menschenwürdigere Unterbringung der Häftlinge angemahnt wurde. Danach müssen Doppelzellen größer sein und abgetrennte, belüftete Toiletten haben. „Mit den Neubauten steigern wir die Sicherheit im Vollzug und verbessern die Unterbringungssituation der Gefangenen“, so Justizminister Rainer Stickelberger (SPD).

Der Neubau schreitet im laufenden Betrieb voran. Dafür steht zurzeit ein Erweiterungsbau aus dem Jahr 2004 mit 112 Haftplätzen leer, der an die fünf künftigen Hafthäuser angeschlossen wird. Zurzeit zählt Stammheim daher nur 500 Gefangene – sonst sind es 616. Wie viele es künftig sein werden, steht allerdings noch nicht fest.

Hochhaus wird abgerissen

Sicher ist, dass das Hochhaus mit seinen 413 Plätzen, in dem die RAF-Terroristen untergebracht waren, nach der Eröffnung der Neubauten abgerissen wird. Das Land erwägt, später das Gefängniskrankenhaus Hohenasperg dorthin zu verlegen. Doch auch die Weiternutzung von Bau 2 mit seinen 101 Plätzen, das im selben Jahr wie das Hochhaus errichtet wurde, ist laut dem Justizministerium „fraglich“.

Die Gefängnisleitung ist generell „erleichtert“ darüber, dass das marode Hochhaus abgerissen und durch moderne Neubauten ersetzt wird. Und auch aus dem Oberlandes- und Landgericht Stuttgart ist zu hören, dass ein Gerichtsneubau in Stammheim schon längst überfällig gewesen sei. Ende 2017 soll er fertig sein.