Die Bundeskanzlerin ist im Urlaub, SPD-Chef Sigmar Gabriel als Vize-Regierungschef vertritt sie im Kabinett. Seine Parteibasis glaubt allerdings nicht, dass er Merkel dauerhaft ablösen kann.

Berlin - Am Mittwochmorgen um 9 Uhr 29 hat es Sigmar Gabriel allen Unkenrufen zum Trotz geschafft. Da darf der Wirtschaftsminister und Vizekanzler dort Platz nehmen, wo sonst die Kanzlerin die Regierungsgeschäfte leitet. An der Längsseite des Kabinettstisches lässt sich der SPD-Chef nieder, zentral, ungefähr auf Höhe einer kleinen Uhr, deren Zeiger auf dem Kabinettstisch den zeitlichen Rahmen vorgeben. Für 13 Minuten darf er sich da fühlen wie ein Bundeskanzler, als Chef der Ministerrunde, die in dieser Zeit im Kanzleramt unter anderem einen Gesetzentwurf zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen und moderate Erleichterungen für jugendliche Flüchtlinge im Arbeitsrecht durchwinkt.

 

Keine Angela Merkel weit und breit. Dumm nur für ihn, dass die Kanzlerin nicht abgewählt, sondern lediglich ein paar Tage wandern ist. Gabriel ist als Vizekanzler ihre Urlaubsvertretung. Er widersteht jedoch, wie schon im vergangenen Jahr, der Versuchung, daraus öffentlich eine große Sache zu machen. Anders als einst Guido Westerwelle (FDP), der 2010 sein damals 20-minütiges Interregnum mit einer opulenten, von vielen in der damaligen schwarz-gelben Regierung als unpassend empfundenen Pressekonferenz krönte.

Nur die Hälfte der Genossen ist mit Gabriel zufrieden

Es wäre ja auch albern, wenn sich Gabriel anlässlich dieses Ereignisses ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zum Kanzler im Wartestand aufschwingen würde, da ihm dieses Amt nicht einmal die eigenen Mitglieder mehrheitlich zutrauen. Forsa will das bei einer Befragung im Auftrag von Stern und RTL heraus gefunden haben. Demnach sehen nur 35 Prozent der sozialdemokratischen Mitglieder in ihrem Parteichef Gabriel einen geeigneten Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2017. Dagegen meinten 56 Prozent, es gebe bessere Kandidaten, neun Prozent machten keine Angaben.

Auch als Parteichef hat Gabriel in der Beliebtheit weiter an Boden verloren. 50 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden, 50 Prozent nicht. Der Bonus, den sich Gabriel mit seinem erfolgreichen Ritt in die große Koalition nach der Wahlniederlage 2013 erarbeitet hatte, ist also verspielt. Als Wirtschaftsminister kann Gabriel in der Partei zwar etwas besser punkten, da sind immerhin 60 Prozent der Befragten der Meinung, er tauge für das Amt. Dennoch ist er mit diesem Wert im Ansehen bei den Mitgliedern Schlusslicht der SPD-Ministerriege. Angeführt wird die Beliebtheitstabelle vom Wahlverlierer 2009, Frank-Walter Steinmeier, mit dem 95 Prozent zufrieden sind. Es folgen auf den weiteren Plätzen Familienministerin Manuela Schwesig (81 Prozent) und Justizminister Heiko Maas (66 Prozent).

Albig hat gesagt, was viele an der Basis denken

Für Gabriel, den sein Amt als Parteivorsitzender mangels anderer SPD-Interessenten wohl oder übel zur Kanzlerkandidatur verpflichtet, ist diese Umfrage ein weiterer Tiefschlag. Denn sie ist ein Beleg dafür, dass Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) vor einer Woche nur das angedeutet hat, was viele SPD-Mitglieder offenbar denken: dass die SPD bei der Bundestagswahl 2017 ohnehin keine Chance hat, wenn Merkel noch einmal antritt. Die Partei sollte gar überlegen, ob sie überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellt, hatte Albig gesagt, der daraufhin eine Welle der innerparteilichen Empörung ertragen musste. Gabriel wurde pflichtgemäß öffentlich von einigen führenden Politikern der Rücken gestärkt. Siegchancen attestierte ihm aber keiner.