Wer kennt sie nicht, die knallgelben Hochdruckreiniger. Ob ein Roboter einmal diese Aufgabe übernimmt, ist fraglich. Dass Roboter auch in der Reinigungsbranche verstärkt eingesetzt werden, davon ist Kärcher-Chef Hartmut Jenner überzeugt. Doch es dauert bis sie den Kaffeefleck erkennen, sagt er.

Winnenden - Kärcher steht für Reinigungsgeräte. Die Branche lebt von Neuerungen. Vorstandschef Hartmut Jenner erläutert die Pläne rund um Digitalisierung und Robotereinsatz. Und er redet über die Vielzahl der Plagiate.

 
Herr Jenner, wann kommt der Hochdruckreiniger als Roboter?
Roboter werden künftig verstärkt in der Reinigung eingesetzt, da gibt es keine Zweifel. Doch ein Roboter braucht freie Flächen, um reinigen zu können. In einer Turnhalle sind die Bedingungen ideal. Und auch die Gänge in einem Supermarkt stellen Roboter vor keinerlei Probleme. Dass sie einmal die komplette Reinigung übernehmen, ist aber nicht zu erwarten.
Würde ein Büro oder eine Wohnung die elektronischen Helfer bereits überfordern?
Reinigen ist alles andere als trivial, denken Sie nur an die Erkennung von Schmutz. Der Roboter muss ja den Kaffeefleck auf dem Tisch als solchen identifizieren.
Kann das ein Gerät irgendwann leisten?
Die automatische Schmutzerkennung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Und daraus lässt sich dann die Reinigungsmethode ableiten – auch automatisch. Das Gerät der Zukunft entscheidet selbst, welches Reinigungsmittel verwendet werden soll und in welcher Konzentration.
Welche Sensoren erkennen denn Schmutz?
Das kommt darauf an, ob es sich um eine horizontale, eine vertikale oder gar um eine zerklüftete Fläche handelt. Dafür gibt es etwa Oberflächenerkennungs-, Tast- oder Ultraschallsensoren. Kärcher wird aber nicht in die Sensorproduktion einsteigen.
Welche spektakulären Projekte planen Sie?
Ein Wunsch von uns ist, das Grabmal Tadsch Mahal in Indien oder die Freiheitsstatue in New York zu reinigen. Aber solche Absprachen dauern immer länger.
Wie wollen Sie die Lady Liberty säubern?
Wir prüfen bei all unseren Reinigungsprojekten zunächst verschiedene Verfahren auf einer Testfläche, das wird dann wiederum von Gutachtern abgenommen. Erst dann kann man entscheiden, wie letztlich gereinigt wird.
Was hat Kärcher davon?
Unser Kultursponsoring bringt uns nicht nur weltweit Aufmerksamkeit. Vielmehr sind mit solch komplexen Projekten oft auch Innovationen verbunden. Ein Beispiel: Vor etlichen Jahren haben wir die 284 Säulen im Vatikan gereinigt, die durch Kohlenmonoxid-Emissionen stark verschmutzt waren. Ein üblicher Hochdruckreiniger erwies sich als nicht praktikabel, weil der Druck zu hoch war. Deshalb haben wir eine Spritzpistole entwickelt, die mit ganz wenig Druck arbeitet und für die Schmutzablösung unterschiedliche Strahlmittel wie Gummikügelchen auf die Oberfläche schießt. Diese Pistole verkaufen wir nun etwa 300 Mal pro Jahr – vor allem an Restauratoren.
Auch wenn vieles manuell gereinigt wird, die Digitalisierung macht vor Kärcher nicht halt. Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?
Kärcher hat die IT-Beratungsfirma Zoi gegründet, die ihren Sitz im umgebauten Leitz-Areal in Stuttgart haben wird. Dank Zoi werden wir unsere Produkte digital anreichern, um Kunden schneller helfen zu können und deren Effizienz zu erhöhen. Ein Beispiel dafür ist die Fernüberwachung der Maschinen, um den Grund für Störungen aus der Ferne zu diagnostizieren.
Fernwartung streben viele Unternehmen an. Haben Sie produktspezifische Beispiele?
Gebäudereiniger haben meist mehrere Maschinen gleichzeitig im Einsatz – und manchmal wissen sie nicht, wo sich eine bestimmte Maschine gerade befindet oder was der Grund einer Störung ist. Dank Digitalisierung können wir dem Nutzer diese Information bereitstellen oder sogar aus der Ferne die Maschine reparieren. So wird die Produktivität erhöht.
Wäre es nicht besser, wenn das Gerät nicht nur seinen den Standort verrät, sondern – als autonomes Gerät – gleich zum Nutzer fährt?
Ich kann Ihnen jetzt doch nicht alles verraten. Aber Robotik wird kommen – und auch Cleaning on demand wird ein Thema sein.
Was verstehen Sie darunter?
Nehmen sie die Reinigung der Toiletten in Flughäfen. Heute werden sie in exakt festgelegt Abständen gereinigt, egal ob viele Maschinen gelandet sind oder gar keine. Sinnvoller wäre es doch, dass bei viel Flugverkehr in kürzeren Zeitabständen und bei Flaute überhaupt nicht gereinigt werden würde. Ähnlich sieht es im Eingangsbereich eines Unternehmens aus. Es ist doch klar, dass der Fußboden eher verschmutzt, wenn es regnet. Dann sollte auch intensiver gereinigt werden. Sinnvoll wäre zudem, leichte Verschmutzung mit leichtem Equipment, das mit Akku laufen kann, zu reinigen, und nur für besonders dreckige Flächen das geeignete Spezial-Equipment zu nutzen. Damit würde die Effizienz um 20 bis 30 Prozent steigen.
Digitalisierung hat mit Software zu tun. Wie viele Entwickler benötigen Sie, um alle Projekte zu stemmen?
Wir wachsen stark im Bereich Digitalisierung. Jetzt haben wir bei unserer Tochter Zoi 40 Entwickler, bei Kärcher gesamt 70. Allein bei Zoi sollen es 100 werden. Neben Stuttgart bauen wir auch in Berlin einen Standort auf. Und wir wollen im Ausland Entwicklungskapazitäten aufbauen – vielleicht schon im nächsten Jahr. Wir denken an Rumänien, Israel oder Asien.
Wie laufen die Geschäfte derzeit?
Nicht schlecht.
Wenn ein Schwabe das sagt.
Im ersten Halbjahr sind wir um acht Prozent gewachsen. Damit liegen wir etwas über Plan. Wir haben in diesem Jahr bereits 500 Mitarbeiter eingestellt, 100 davon in Deutschland. Wir haben noch offene Stellen.
Gibt es auffallende Entwicklungen?
Die Geschäfte in Brasilien und Russland haben sich stabilisiert und wachsen wieder, allerdings auf niedrigerem Niveau. Ich glaube, dort haben wir die Talsohle durchschritten. Es sind weniger Länder, wo eine Zurückhaltung zu spüren ist, als vielmehr Branchen. Schwierig ist die Lage dort, wo die Ölindustrie eine besondere Bedeutung hat – das gilt für die USA oder den arabischen Raum. Wegen der niedrigen Ölpreise wird in den Ländern weniger investiert. Auch die Geschäfte mit der Landwirtschaft liefen im vergangenen Jahr schlecht; weil die Preise für landwirtschaftliche Produkte sehr niedrig waren.
Wie wichtig ist China?
Sehr wichtig. Das ist ein Wachstumsmarkt. Dort gewinnt erstmals auch der Endkundenmarkt an Bedeutung.
Haben Sie Probleme in China?
Nein. Wir haben eine Produktion in China, aber wir spüren keine außergewöhnlichen Restriktionen.
Sie würden also China den EU-Marktwirtschaftsstatus verleihen?
Das nun nicht. Manchmal ist es dort schwierig sein Recht durchzusetzen. Denken Sie nur an den Umgang mit Plagiaten.
Werden Sie konkreter.
Zunächst einmal: Fälscher sitzen nicht nur in China. Unser Fensterreiniger wurde auch von deutschen Firmen kopiert. Wir haben derzeit ein Verfahren in den USA anhängig. Wir diskutieren aber nicht lange, sondern gehen rigoros gegen sie vor. Ich finde, wir sind dabei durchaus erfolgreich.
Wie viele Verfahren laufen derzeit?
Gar nicht so sehr viele. Vielleicht acht oder neun. Davon sind sechs in China anhängig. So um die zehn Verfahren laufen eigentlich immer parallel. Wichtig ist für mich aber nicht die Anzahl der Verfahren, sondern welches Produkt betroffen ist. Wenn ein Produkt, das wir gerade auf den Markt gebracht haben, kopiert wird, schmerzt uns das mehr.
Welches Produkt ist bei Fälschern beliebt?
Unsere Fensterreiniger werden stark kopiert. Im ersten Jahr hatten wir 60 Kopien entdeckt, inzwischen sind es 120. Die ersten 30 Kopien, die uns aufgefallen sind, kamen allesamt aus China. Wir haben alle Verfahren gewonnen.
Was war die dreistete Kopie in letzter Zeit?
Das war eine eins-zu-eins-Kopie der Werkzeuge für unseren Fensterreiniger. Die Kopie war so gut, dass wir das Produkt vermessen mussten, um die Fälschung zu erkennen.
Die Chinesen haben technologisch aufgeholt. Können Sie Deutschland ernsthaft Konkurrenz machen?
Selbstverständlich, warum denn nicht. China kann mittlerweile deutlich mehr Technologien vorweisen; teilweise sind es Lösungen, die sonst noch niemand hat. Das hat sicherlich mit der Vielzahl der Ingenieure und der staatlichen Steuerung zu tun. Angst macht mir das aber nicht. China war bis zur Industrialisierung eine Hochkultur, jetzt holen sie wieder auf. Für Kärcher sehe ich darin vor allem Chancen.
Wie beurteilen Sie den deutschen Standort?
Ich glaube, Deutschland hat grundsätzlich gute Rahmenbedingungen, ist aber überreguliert. Wir haben viel zu viele Vorschriften. Ich meine damit nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die gesetzlichen Regelungen. Teilweise sind die Regularien so überaltet, dass sie in Unternehmen nicht mehr beachtet werden. Auf der anderen Seite hängt der Gesetzgeber bei Themen wie Cyberkriminalität deutlich hinterher.