Wein baut man in Südbaden am Kaiserstuhl auf Terrassen an. Also plant man ein Weingut, wenn es schon mitten im Rebberg stehen soll, am besten als Terrassenbau. Architekt Michael Geis und seine Kollegen sind drauf gekommen

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Vogstburg-Oberbergen - Wein baut man in Südbaden am Kaiserstuhl auf Terrassen an. Also plant man ein Weingut, wenn es schon mitten im Rebberg stehen soll, am besten als Terrassenbau. „Eigentlich erstaunlich, dass man da nicht früher drauf gekommen ist“, sinniert der Freiburger Architekt Michael Geis. Er und seine Kollegen vom Büro Geis und Brantner sind drauf gekommen. Ihren Entwurf haben der Gastronom und Winzer Fritz Keller und seine Frau Bettina in Vogtsburg-Oberbergen in die Tat umgesetzt. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit ist das in den Lösshügel wie ein Halbbogen mit 220 Meter Radius eingepasste Bauwerk fertig und wird seiner Bestimmung übergeben. 50 000 Kubikmeter Erde mussten aus einem riesigen Loch abgefahren werden. 4000 Quadratmeter Nutzfläche stehen nun für Weinausbau, Abfüllung, Lagerung und Verkauf zur Verfügung. Fässer und Tanks können die Weinlese von 60 Hektar aufnehmen, 360 000 Flaschen können abgefüllt werden. Eine ambitionierte „Kellerwirtschaft“ lädt zum Verweilen und Speisen ein.

 

Der Neubau eines Weinguts würde am Kaiserstuhl wenig Aufsehen erregen, doch die innen und außen gut bis edel gearbeitete Terrassenanlage ist prädestiniert dafür, ein Magnet für Besucher aus aller Welt zu werden, ob weinkundig oder nicht.

Die Landschaft hat den Rahmen vorgegeben

Im Unterschied zum im vergangenen Jahr eröffneten Weingut Abril in Bischoffingen, einem anderen Vogtsburger Ortsteil, ist die Harmonie von Landschaft und landwirtschaftlichem Betrieb nahezu perfekt gelöst. Wenn die Dachflächen richtig dicht bewachsen sein werden, ist der Bau kaum zu sehen. Ein großer Teil des Gebäudes liegt im Berg und wird durch diesen konstant kühl gehalten. Die drei Stufen haben nicht nur eine ästhetische Funktion: Die Traubenverarbeitung folgt der Schwerkraft, der Rohstoff muss nicht qualitätsmindernd gepumpt werden.

„In unserer Familie ist es Tradition, dass die eine Generation etwas für die nächste schafft“, sagt der stolze Besitzer Fritz Keller (57). Der Sohn des legendären „Weinrebellen“ Franz Keller ist Wirt des sternegekrönten Schwarzen Adlers und des Rebstocks in Oberbergen, international bekannter Sommelier und zudem Präsident des Bundesligisten SC Freiburg. Fritz Keller ist Winzer und Weinhändler, etwa je zur Hälfte und nebenbei gibt er einer Aldi-Produktion namens „Edition Fritz Keller“ nicht nur den Namen, sondern hat für die mitnichten billigen Burgunderweine im Discounter 450 zuliefernde Winzer unter seiner Führung vereint.

Eine Kombination von Gastronomie und Weinbau

Die Keller-Family im engeren Sinne kombiniert Gastronomie und Weinanbau im bodenständigen Stil. Die nächste Generation bereitet sich schon darauf vor, in die Fußstapfen von Vater und Großvater zu treten, der älteste Sohn Friedrich (23) studiert Weinwirtschaft. Fritz’ Frau Bettina Keller, gebürtige Schwarzwälderin, Tochter eines Uhrmachers, ist unschwer als gleichberechtigte Partnerin und wohl auch als Korrektiv für den überbordenden Aktivismus ihres Mannes erkennbar.

Der Patron lebt seine regionale Herkunft und Verwurzelung in jeder Sekunde, auch sprachlich. „E Burehof“, einen Bauernhof habe er gebaut, sagt er augenzwinkernd, verrät aber nicht, wie viel der gekostet haben mag. Der hinterhergebruddelte „einstellige Millionenbetrag“ dürfte kolossal untertrieben sein, denn die Tengelmann-Eigentümer Erivan und Helga Haub haben in Bischoffingen allein schon fast elf Millionen Euro für das Ecovin-Weingut Abril investiert.