Kalaschnikow oder Nazi-Sturmgewehr? Der Teufel steckt im Detail, wie ein russischer Künstler bitter erkennen muss. So wird ein umstrittenes Denkmal in Moskau um einen Skandal reicher.

Moskau - Aussgerechnet ein Sturmgewehr der deutschen Wehrmacht versetzt die Moskauer Patrioten-Szene in Aufruhr. Nur drei Tage nach der Enthüllung eines ohnehin umstrittenen Denkmals für den russischen Waffenbauer Michail Kalaschnikow haben Experten einen feinen, aber gravierenden Schönheitsfehler entdeckt. In einem Sockelrelief hat sich demnach zwischen die martialische Darstellung von Waffen der Marke Kalaschnikow die schematische Zeichnung eines Sturmgewehrs vom Typ StG 44 geschlichen, wie es Nazi-Truppen im Zweiten Weltkrieg hatten. Kritiker wittern eine heimliche Provokation des Künstlers.

 

Der sowjetische Ex-Offizier Michail Kalaschnikow hatte nach dem Weltkrieg das Sturmgewehr AK-47 (Awtomat Kalaschnikowa) mit dem typisch gekrümmten Magazin als „perfekte Waffe zum Schutze der Heimat“ entwickelt. Schätzungen zufolge gibt es weltweit mehr als 100 Millionen Exemplare des AK-47.

Das Denkmal für Kalaschnikow war erst am Dienstag enthüllt worden. Während Patrioten den rund acht Meter großen Bronze-Koloss begrüßen, sehen Kritiker darin eine Gewaltverherrlichung, die an einem friedlichen Ort im Stadtzentrum von Moskau nichts zu suchen hat.

Modelle kaum zu unterscheiden

Und nun auch noch ein deutsches Sturmgewehr. Laien dürften die Verwechselung kaum bemerken, denn der Teufel steckt im Detail. Das Modell des deutschen Konstrukteurs Hugo Schmeisser unterscheidet sich auf dem Relief nur in wenigen Strichen vom AK-47.

Den angeblichen Fehler entdeckt hat ein Historiker namens Juri Pascholok. Bei Facebook veröffentlichte er ein Foto mit einer Erklärung, wo seiner Meinung nach der Fehler liegt. „Sagt nicht, dass das Zufall ist“, schrieb er. Pascholok wittert Absicht.

Bildhauer Salawat Schtscherbakow kann darüber nur den Kopf schütteln. Gelassen steht er in der Herbstsonne vor dem Corpus Delicti und erklärt sich. „Wir suchen für unsere Arbeit in verschiedenen Quellen: Museen, Bücher, Internet.“ Dieses Gewehr-Schema komme aus dem Netz. „Im Internet gibt es manchmal Fehler. Vorwürfe, dass das eine Provokation sei, sind seltsam. In unserem Team arbeiten Patrioten.“

Um eine Korrektur kommt Schtscherbakow wohl nicht herum. Zu groß ist die Blamage aus Sicht der Militär-historischen Gesellschaft, die das rund 500 000 Euro teure Denkmal mit Spenden finanziert hat. „Leider ist dieser Fehler unterlaufen“, sagte Direktor Wladislaw Kononow. „Um weitere Verwirrung zu verhindern, wird es abmontiert.“

Künstler geht mit einem Schleifgerät ans Denkmal ran

So weit will Schtscherbakow aber nicht gehen. „Wir ändern das einfach hier. Wir entfernen eine Schicht von etwa vier Millimetern und gravieren dann eine korrekte Zeichnung ein.“ Wenig später machten sich Handwerker mit einem Schleifgerät ans Werk.

Der 62-jährige Schtscherbakow ist ein angesehener russischer Künstler, er wurde mit vielen Preisen geehrt. Seine Bronzegüsse dekorieren Moskauer Plätze, auch in Baden-Baden steht eine Skulptur.

Den Trubel um sein Werk versucht Schtscherbakow nun ins Positive zu wenden, indem er eine alte Debatte aufgreift. Kritiker vermuten, Michail Kalaschnikow könnte sein Gewehr bei den Deutschen abgekupfert haben. „Diese Geschichte bestätigt nur, dass der Awtomat Kalschnikowa etwas Eigenes ist“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. „Die deutschen Konstrukteure sind gut. Aber unsere auch.“

Neugierig steht Viktor - 46, Sakko, Anzughose - vor dem Denkmal und blättert in einem vergilbten Buch. „Waffen“ steht auf dem Umschlag. Viktor sagt: „Ich habe selbst ein deutsches StG 44.“ Er habe es einem Museum geliehen. Auf einem Tablet-Computer präsentiert er ein Foto von einer Vitrine mit mehreren Gewehren. „Das untere ist meins.“ Dann stiehlt er sich davon, um keine TV-Interviews geben zu müssen. Denn er sei kein Experte: „Ich interessiere mich bloß für Waffen“.