Kambodscha ist dabei, so etwas wie die Türkei Südasiens zu werden. Oppositionspolitiker werden verhaftet, Zeitungen und Radiosender müssen schließen. Das wird am Wochenende auch Thema in einer beschaulichen Gemeinde bei Rottweil werden. Der Sohn des kambodschanischen Premiers besucht Wellendingen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Wellendingen - Wellendingen ist nicht gerade bekannt dafür, dass es von politischen Aktivisten als Bühne besucht wird. Im Gegenteil. Im Rathaus der 3000-Seelen-Gemeinde unweit von Rottweil kramen die Mitarbeiter vergebens in ihrer Erinnerung, um herauszufinden, wann denn dort das letzte mal eine politische Demonstration stattgefunden hat. Wenn es überhaupt eine gab, dann muss das lange her sein, heißt es. Das soll sich am Wochenende ändern.

 

Es ist ein kleines Stück große Weltpolitik, die sich da am Samstag in Wellendingen abspielt, in einem Ort, der im Jahr 1258 zum ersten mal urkundlich erwähnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Stadt Angkor mit rund einer Million Menschen eine der größten menschlichen Ansiedlungen auf dieser Welt. An diesem Wochenende nun sind die Gemeinde am Fuße des Lembergs und das kambodschanische Königreich miteinander verbunden.

Benefizgala mit dem Sohn des Premiers

Kambodschas Botschafterin lädt am Abend in der Festhalle zu einer Benefizgala, mit Sängern, Tänzern und einem bunten Programm. Mit bis zu 300 Gästen rechne man, heißt es von der Botschaft Kambodschas auf Nachfrage, ein ganz besonderer Gast wird auch zugegen sein: Hun Manet, der älteste Sohn des kambodschanischen Premiers Hun Sen.

Dagegen regt sich Widerspruch. Sophy Kay, die seit vielen Jahren in Stuttgart lebt und von dort aus Oppositionsarbeit gegen den seit 32 Jahren regierenden Ministerpräsidenten betreibt, hat zur Demonstration eingeladen. Die Benefizveranstaltung sei ein Vorwand, tatsächlich ginge es um Werbung in eigener Sache, sagt Kay, denn im nächsten Jahr stehen Wahlen an in Kambodscha. Einige halten den Dreisternegeneral Hun Manet für den logischen Nachfolger seines Vaters, der hatte aber vor noch nicht all zu langer Zeit angekündigt, dass er auch nach mehr als drei Jahrzehnten noch nicht an Abschied denke, und noch einmal zehn Jahre an Regierungszeit draufpacken wolle.

Oppositionspolitiker sind in Haft

Daran, dass das klappt, herrschen wenig Zweifel. Kambodscha hat in der jüngsten Vergangenheit eine Entwicklung genommen, die derer in der Türkei nicht unähnlich ist. Mehrere kritische Medien wurden geschlossen, Oppositionspolitiker sitzen im Gefängnis. Erst Anfang des Monats ist Oppositionsführer Kem Sokha verhaftet worden. Der Vorwurf lautet auf Landesverrat.

Über das Internet haben sich die Exil-Kambodschaner nun verabredet, um dem Regierungsvertreter, der nach Angaben der Botschaft „inoffiziell“ unterwegs ist, ihre Meinung kund zu tun. „Er soll wissen, dass wir wissen, was in Kambodscha los ist“, sagt eine Frau aus Frankfurt, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen mag, aber sicher zur Demonstration kommen wird. Natürlich werde es friedlich bleiben, verspricht die Frau, und auch Sophy Kay erklärt, dass nicht mit Gewalt zu rechnen sei. Wie viele Demonstranten in Wellendingen zu erwarten seien, das weiß die Organisatorin des Protestes jedoch nicht. „Viele Leute haben Angst“, sagt sie, ist aber zuversichtlich: „Wenn erst ein paar anfangen, dann kommen immer mehr nach“. Die Wege dafür sind kurz: laut Botschaft ist die kambodschanische Gemeinschaft im Südwesten besonders groß, auch wenn genaue Zahlen fehlen.