Seit einem Jahr verlangen etliche Händler Geld für Plastiktüten. Der Verbrauch ist deshalb deutlich zurückgegangen. Die Dettenhäuser Firma Apomore profitiert vom Kampf gegen Plastik – sie vermarktet ökologische Papiertüten.

Dettenhausen - Im VfB-Fanshop gibt es sie. Das baden-württembergische Umweltministerium hat einen Schwung bestellt. Und im Schloss Schönbrunn wird sie Kunden im Museumsladen überreicht – die Papiertüte der Dettenhäuser Firma Apomore im Landkreis Tübingen. Schlicht „Tütle“ nennt die kleine schwäbische Agentur für Nachhaltigkeit ihre Geschäftsidee und will damit zum Klimaschutz beitragen. Im Gegensatz zu den meisten Papiertüten, die es im Handel gibt, besteht die Ökotüte aus hundert Prozent Altpapier und wird in Deutschland hergestellt. Sie ist reißfest, auch wenn sie etwas Feuchtigkeit abbekommen hat, sie ist mit einen doppelten Boden ausgestattet und bestens kompostierbar. Ideale Voraussetzungen, um sie nach den Einkäufen im Haushalt weiter zu nutzen – als Biomülltüte.

 

„Wir haben versucht, die Schwachstellen, die es bei der Papiertüte gibt, auszugleichen“, sagt Apomore-Geschäftsführer Daniel Birkhofer und weiß, dass viele Kunden denken, eine braune Papiertüte sei grundsätzlich etwa Gutes für die Umwelt. Die Ökobilanz des „Tütle“ stimme, versichert Birkhofer und garantiert ein klimaneutrales Produkt. Das umweltschädliche Kohlendioxid, das bei der Herstellung und beim Transport entsteht, werde durch Aufforstung ausgeglichen. „Da wächst ein Tütle-Wald in Mexiko“, schwärmt Birkhofer, 40 000 Bäume seien gepflanzt worden.

Statt einem gesetzlichen Verbot gibt es eine Selbstverpflichtung des Handels

Der Kampf gegen die klimabelastende Plastiktüte hat der Geschäftsidee Aufschwung bereitet. Ein gesetzliches Verbot gibt es zwar nicht, aber vor einem Jahr, am 1. Juli 2016, hat sich der Handel eine freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt: Kunden sollen zahlen für die Plastiktüte, ein Produkt aus fossilem Rohöl. Längst nicht alle, aber ein großer Teil der Einzelhändler macht mit bei der Abkehr vom Plastik. Angestoßen wurde die Initiative durch eine Umweltrichtlinie der Europäischen Union, die ihren Mitgliedstaaten vorschreibt, dass der Verbrauch von Plastiktüten reduziert werden muss – bis Ende 2019 auf maximal 90, bis Ende 2025 auf maximal 40 Stück pro Kopf. Wie das Ziel erreicht wird, ist nicht festgelegt.

Die Deutschen lagen mit einem Verbrauch von 70 Tüten im Jahr weit unter dem europäischen Schnitt, der bei fast 200 Stück liegt. Erfreulich ist, dass die Einführung der Bezahltüte schon Wirkung zeigt und im Straßenbild der Innenstädte die Plastikeinweglösung wesentlich seltener zu sehen ist. Der Verbrauch ist im Jahr 2016 auf 45 Plastiktüten je Bundesbürger gesunken, das ist ein Rückgang um ein Drittel. Das EU-Ziel in der ersten Phase ist damit erreicht.

Als halbherzig kritisiert die Deutsche Umwelthilfe die Selbstverpflichtung, die zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Handelsverband Deutschland abgeschlossen wurde. „Sie ist so löchrig wie ein Schweizer Käse“, sagt Abfallexperte Thomas Fischer. Die teilnehmenden Händler brächten nur rund 40 Prozent der Tüten in den Verkehr, viele Unternehmen seien nicht beim Plastiktütenausstieg dabei. Häufig würden die Tüten noch immer kostenlos abgegeben oder für zu wenig Geld verkauft. Er plädiert deshalb für eine gesetzliche Abgabe in Höhe von 22 Cent, die aber nicht in den Kassen des Handels verbleiben sollte, sondern in Umweltprojekte gesteckt wird.

Kein gutes Wort hat Fischer für die normale Papiertüte übrig. Sie sei schwerer als die Plastiktüte und verbrauche bei der Herstellung mehr Ressourcen. Der Großteil der Tüten bestünde aus neuen Zellstofffasern und nicht aus Recyclingmaterial. Und meistens würden sie nur ein einziges Mal genutzt, im Schnitt 25 Minuten. Die Zukunft müsse Mehrweg heißen – egal ob Stofftasche, Klappbox aus Plastik oder der klassische Einkaufskorb, weiß der Abfallexperte. Natürlich hätten auch Mehrwegprodukte ihren „ökologischen Rucksack“, es gebe einen erheblichen Ressourcenverbrauch bei der Produktion. „Aber wenn eine Baumwolltasche mehr als 20 mal verwendet wird, ist sie ökologisch betrachtet die bessere Variante“, sagt Fischer und empfiehlt vor allem eins: Müllvermeidung.